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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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es nicht auch zu, daß in den wenigsten Mordfällen das Opfer sich mit der Tat einverstanden erklärt?«
    »Einspruch«, rief Audra von ihrem Tisch herüber.
    »Ich möchte es anders ausdrücken. Erklärt sich in der Mehrheit der Mordfälle das Opfer mit der Tat einverstanden?«
    »Natürlich nicht.« Cam schüttelte den Kopf.
    »Chief«, hakte Graham nach, »welchen Eindruck hatten Sie von Jamie, als er seine Aussage machte?«
    »Einspruch!« Diesmal stand die Staatsanwältin auf. »Die Frage wurde bereits gestellt und beantwortet.«
    »Stattgegeben.« Richter Roarke warf Jamie einen bohrenden Blick zu.
    »Chief MacDonald, wenn ich mich recht entsinne, haben Sie vorhin ausgesagt, Jamie hätte klar und präzise gewirkt bei seinem Geständnis. Ist das richtig?«
    »Jawohl.« Cam legte die Ellbogen auf das Geländer, als mache ihm die Sache allmählich Spaß.
    »Wirkte Jamie die ganze Zeit über klar und präzise, angefangen von Ihrer ersten Begegnung vor der Polizeistation bis zu dem Zeitpunkt, an dem Sie seine Aussage aufnahmen?«
    Cam schüttelte den Kopf. »Es gab einen Zwischenfall, als mein Sergeant nach dem Opfer sehen wollte. Der Angeklagte befreite sich aus einem Haltegriff und schubste den betreffenden Beamten beiseite. Dabei murmelte er unzusammenhängendes Zeug dahingehend, daß niemand seine Frau anrühren dürfe.«
    »Hat er dabei geweint?«
    »Jawohl.«
    »Also hat sich Ihrer Meinung nach Jamies Zustand innerhalb einer Stunde von einem gewalttätigen, hektischen Verhalten zu klarer, präziser Sprache hin gewandelt?«
    »So ist es.«
    Aus dem Augenwinkel sah Graham in der Verteidigungsecke eine Fliege um Jamies Kopf schwirren. Jamie schlug ein paarmal danach und hielt sie schließlich unter seiner gewölbten Hand auf der Platte gefangen. Graham merkte, daß einige der Geschworenen Jamie beobachteten. Er hielt den Atem an, als Jamie die Hand flach auf den Tisch drückte, um daraufhin seine Beute in einem Papiertaschentuch verschwinden zu lassen.
    Scheiße. Damit hatte er alles verspielt, was Graham soeben an Boden gewann. »Chief MacDonald, kannten Sie Jamie schon, bevor er am neunzehnten September vor Ihrem Revier auftauchte?«
    Mit einem Ruck schoß Cams Kopf hoch. Das bestätigte er. »Der Angeklagte ist mein Cousin.«
    Ein leichtes Beben lief durch die Geschworenenbank. »Was nicht ungewöhnlich in Wheelock ist, oder? Können Sie uns die Ursprünge Ihrer Verwandtschaft erläutern?«
    Audra erhob einen Stift. »Einspruch, Euer Ehren«, sagte sie. »Wo besteht hier der Zusammenhang?«
    Graham wandte sich an den Richter. »Bitte lassen Sie mir in dieser Sache ein wenig Freiraum«, bat er.
    »Stattgegeben«, sagte Roarke. Er wandte sich an Cam. »Seien Sie so gut und beantworten seine Frage!«
    Fünfzehn Minuten lang breitete Cam die Geschichte jenes entwurzelten Highland-Clans aus, den sein damaliger Namensvetter vor zweihundertfünfzig Jahren Nase für Nase nach Massachusetts verschifft hatte. Er erklärte, daß er theoretisch immer noch Chief des Clans sei, was allerdings nur noch als Ehrentitel gelte.
    »Aber«, wandte Graham ein, »haben Sie als Clanchef nicht vielleicht noch mehr Verantwortung für die Bürger von Wheelock als ein gewöhnliches Polizeioberhaupt?«
    Cam zuckte mit den Achseln. »Persönlich sehe ich das schon so.«
    »Kann es sein, daß Jamies Entscheidung, seine Frau in Wheelock zu töten, etwas damit zu tun hatte, daß Sie dort leben?«
    »Einspruch«, sagte Audra. »Mein Zeuge steht hier nicht unter Anklage.«
    »Mr. MacPhee«, ermahnte Roarke ihn, »Sie bewegen sich auf dünnem Eis.«
    »Chief MacDonald!« Unbeirrt steuerte Graham auf sein Ziel zu. »Müßte Jamie sich als Mitglied des Clans der MacDonalds nicht an Sie wenden?«
    »Theoretisch ja«, räumte Cam ein.
    »Ist es möglich, daß er nach Wheelock kam, weil er auf Ihre Unterstützung hoffte?«
    Cam beugte sich vor und nagelte Graham mit einem bohrenden Blick fest. »Warum hat er sich dann nicht bei mir gemeldet, bevor er sie umbrachte?«
    Einen Augenblick war Graham sprachlos. Tiefe Röte stieg von seinem Hemdkragen aus nach oben. »Halten Sie sich für einen Ehrenmann?« fragte er schließlich.
    Cam sah seine Frau an. Er stand unter Eid. Nervös rutschte er auf seinem Sitz herum, doch Allies Blick blieb unerschütterlich. »Im großen und ganzen«, wich er aus.
    »Können Sie uns das Motto Ihres Ortes nennen?«
    » Ex uno disce omnes. Das bedeutet: ›Von einem schließe auf die übrigen.‹« Er zögerte. »Das war

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