Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
Vom Netzwerk:
Beweisaufnahme abgeschlossen. Die Verhandlung wurde auf den folgenden Morgen vertagt. Ellen erklärte Angus, daß sie ihn nur heimfahren würde, wenn er seinen Mantel ganz zuknöpfte; Jamie und Graham verließen ebenfalls den Gerichtssaal, steckten dabei die Köpfe zusammen und besprachen ihre heutige Strategie.
    »Wie wär's mit einem Kaffee?« sagte Cam zu Allie.
    »Ich habe eben einen getrunken«, gab sie Bescheid. »Mit deiner Mutter.«
    Schweigend brach sie auf, doch Cam folgte ihr auf dem Fuße. »Abendessen«, hakte er nach, »du mußt mal was essen!«
    »Aber nicht um halb fünf am Nachmittag.« Sie warf das Haar über den Mantelkragen; Cam sah, wie es sich über ihre Schultern breitete. »Betteln steht dir nicht.«
    »Ich bettle nicht, sondern verhandle.«
    Allie ignorierte ihn. ›Wir treffen uns dann später zu Hause.«
    Sie wollte auf ihren Wagen zugehen, doch Cams tragende Stimme hielt sie auf. »Nein, das werden wir nicht. Du wirst da sein, und ich werde da sein, aber von einem Treffen kann ganz bestimmt keine Rede sein!«
    Er hatte das quer über den Parkplatz gebrüllt, und obwohl sie glaubte, daß alle ihre Bekannten inzwischen gegangen waren, konnte sie doch nicht ganz sicher sein. Mit hastigen Schritten kehrte sie zu ihm zurück, blieb dicht vor ihm stehen und sah wütend zu ihm auf. »Es ist erst zwei Tage her«, zischte sie. » Zwei lächerliche Tage. Wie kannst du es wagen?«
    Ein Regentropfen fiel ihr ins Auge und trübte ihr die Sicht, allerdings ohne das Brennen einer Träne. Bis dahin war ihr gar nicht aufgefallen, daß es immer noch regnete.
    Während ihrer Flitterwochen hatte es jeden Tag geregnet. Auf Aruba, wo es das sonst nie tat!
    »Ich weiß, woran du gerade denkst«, sagte Cam, und ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, ein freches Grinsen, das sie am liebsten weggeohrfeigt hätte. »Ich muß auch immer daran denken, wenn es so regnet.«
    »Ich kann mich nicht erinnern«, entgegnete Allie kalt.
    Cam hielt sie am Arm fest. »Du erinnerst dich sehr wohl«, widersprach er. »Vielleicht bist du stinksauer auf mich – aber du kannst nicht einfach alles wegwerfen, was bis vor ein paar Monaten war.«
    Allie blinzelte die Feuchtigkeit aus ihren Augen. »Warum nicht?« höhnte sie. »Du hast es doch auch gekonnt!«

 
     
    Erinnerst du dich daran, daß ich dir erzählte, ich wäre gern Reiseschriftsteller geworden? Wie wir in manchen Nächten im Dunkeln gesessen, uns mit unseren Stimmen abgetastet und Rückblicke auf fremde Orte angestellt haben, so als spielten wir ein kompliziertes Brettspiel: deine Akropolis gegen meinen schnurrbärtigen Künstler auf dem Montmartre, dein staksendes Kalb in den Straßen von Bombay gegen meinen Blick aus einem Doppeldecker auf die Serengeti, wo das hohe Gras wie ein silberner Fischschwarm von links nach rechts schwang und zurück.
    Mir ging auf, daß ich in den Monaten nach deinem Verschwinden doch noch zum Reiseschriftsteller wurde. Ich habe über Sizilien und Haifa und das Moor in Yorkshire geschrieben, über den Orient und das Mittelmeer, über all die Orte, an denen du dich aufhalten könntest. Nur daß ich mir meine Reiseziele nur einbildete und ich nie einen Fuß an ein anderes Gestade setzte.
    Erst machte mich das rasend. Doch dann, im Laufe der Zeit, fiel mir wieder ein, daß ich nie gern geflogen bin.

19
     
    Vorläufig beantragte Graham nur, das Verfahren einzustellen. Er und Audra standen Hüfte an Hüfte vor dem Tisch von Richter Roarke und drängelten um den besten Platz wie zwei junge Wölfe, die an dieselbe Zitze wollten. Roarke setzte seine Brille ab und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger über die Nasenwurzel. Es war erst neun Uhr morgens. »Und warum?«
    »Aus Mangel an Beweisen.«
    Audra ächzte lauthals.
    MacPhee jun. hatte sich selbst schon gesagt, daß es nicht klappen würde; daß er den Richter nur deshalb vor der Zeugenvernehmung mit Anträgen bombardierte, weil das so üblich war. Aus Mangel an Beweisen? Also gut, vielleicht traf das auf diesen Fall nicht wirklich zu, doch es galt als der häufigste Grund für eine Verfahrenseinstellung.
    »Antrag abgelehnt«, sagte Richter Roarke. »War das alles, oder wollen Sie mir noch mehr Zeit stehlen?«
    Graham straffte die Schultern. Vom Tisch der Verteidigung her spürte er Jamies Blick, der ein kleines Loch in seinen Rücken brannte. »Es ist absolut unmöglich, über James MacDonald zu verhandeln wie über einen durchgedrehten Amokläufer, der in einem

Weitere Kostenlose Bücher