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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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im Dunkeln erschlagen und an der Wand zerquetscht. Er hatte mit Allie geschlafen, und das Vieh war auf ihrer Schulter gelandet, um Blut zu saugen. »Ich gehöre hierher«, sagte Cam nur. »Zu dir.«
    »Wo wärst du denn lieber? «
    Ich weiß es nicht. Cam stand auf, nahm Allie die Blumen ab und stellte sie auf ihren Nachttisch. »Hör zu«, sagte er. »Du mußt mir glauben – und mir ein bißchen Luft lassen.«
    Allie verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich muß überhaupt nichts«, sagte sie, doch die Stimme versagte ihr dabei.
    Kurz darauf verließ Cam das Zimmer. Allie hörte das Wasser in der Dusche laufen und das Rupfen von Baumwolle, als er sein T-Shirt über den Kopf zog und aus seinen Shorts stieg. Sie stand auf, hüllte sich in ihren großen Morgenmantel und tappte die Treppe hinunter.
    Cam hatte das Laken und die Decke säuberlich zusammengefaltet und alles an einem Sofaende aufgestapelt. Sein Gurt lag, wie immer, quer über dem Eßtisch. Seine Stiefel standen neben dem Fernseher.
    Die Brieftasche und das Kleingeld hatte er auf den Videorecorder gelegt. Mit einem Finger tippte Allie das Lederetui an. Dann klappte sie es mit klopfendem Herzen auf, während sie mit halbem Ohr auf das Wasser horchte, das oben durch die Leitungen rauschte.
    Siebzehn Dollar. Ein Führerschein. Ein Organspendeausweis. Sie kontrollierte die engen Einschublaschen und beförderte eine Bescheinigung über einen absolvierten Erste-Hilfe-Kurs, eine VISA-Card und eine American-Express-Card ans Tageslicht. Ein paar Kontoauszüge; eine Quittung aus einem Restaurant in Pittsfield. Eine Geldautomatenkarte.
    Es gab keine Geheimfächer in seiner Brieftasche; das wußte sie, denn sie hatte ihm das Portemonnaie selbst vorletztes Weihnachten geschenkt. Sie stieß weder auf einen Papierfetzen mit einer ihr unbekannten Adresse noch auf eine Notiz mit einer Telefonnummer und einem dahingekrakelten ›M‹. Es steckte kein Kondom hinten neben den Geldscheinen, kein vom vielen Anfassen verknittertes und verwittertes Bild Mias. Sie fand keinen Beweis dafür, daß Cam vorhin in irgendeiner Hinsicht gelogen hatte.
    Allie wußte, wie man es anstellte, sich in jemanden zu verlieben; doch sie hatte keine Ahnung, wie man es anstellte, jemandem wieder zu vertrauen. Angewidert von ihrem Argwohn klappte sie die Brieftasche zu.
    Während der zehnminütigen Unterbrechung fiel Richter Roarkes Tochter beim Spielen von einem Klettergerüst und brach sich ein Bein. Hastig und fahrig entließ er nach einer Entschuldigung die Geschworenen und verkündete, daß die Verhandlung am folgenden Morgen um neun Uhr wiederaufgenommen würde. Jamie grinste von einem Ohr zum anderen. »Das ist gut«, sagte er zu Graham. »Meinen Sie nicht auch?«
    Graham warf ihm einen Blick über die Akten hinweg zu, die er in seinen Koffer schob. »Wieso?«
    »Ich könnte mir denken, wenn die Geschworenen einen Tag lang aus diesem Gerichtssaal herauskommen, dann ist ihnen das, was die Anklage vorgebracht hat, nicht mehr so frisch im Gedächtnis.«
    »Jamie«, mahnte Graham, »man kann nie wissen, was in den Geschworenen vorgeht.«
    Allie beugte sich über das Geländer, das den Publikumsbereich vom restlichen Gerichtssaal trennte. »Also, ich finde, Jamie hat recht. Je länger sich diese Verhandlung hinzieht, desto mehr geraten die Aussagen der Anklagezeugen in Vergessenheit.«
    Graham lächelte. »Sie vergessen, daß auch Audra ein Schlußplädoyer halten wird.« Er klappte seinen Aktenkoffer zu und sah auf die Uhr. »Fahren Sie nach Wheelock zurück, Allie? Ich muß noch in einem anderen Fall einen Straferlaß aushandeln; am besten verschwinde ich gleich in der Bibliothek.«
    Allie nickte. »Ich kann Jamie mitnehmen!«
    Jamie wandte sich an Graham. »Sie haben noch andere Fälle außer meinem?« fragte er neugierig.
    Graham grinste. »Ein guter Anwalt gibt seinem Klienten immer das Gefühl, daß er niemanden außer ihm vertritt. Natürlich kommt das in Ihrem Fall der Wahrheit ziemlich nahe.« Er verschwand durch den Mittelgang aus dem Gerichtssaal, eine Hand zu einem ansatzweisen Winken erhoben.
    Allie klemmte ihr Haar hinter die Ohren und strich mit den Händen vorn über ihren Wollmantel. »Also«, sagte sie. »Hast du Hunger?«
    Jamie schüttelte den Kopf. »Graham läßt nicht zu, daß ich ohne ein gutes Frühstück im Bauch losziehe.« Er nahm Allie am Ellbogen und geleitete sie hinaus, mitten durch die wachsende Reporterschar. »Ich möchte einfach nur heim«, erklärte er.

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