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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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vergibt.«
    Er sah Allie an, nahm ihre Finger in seine und drückte so fest zu, daß es fast weh tat. »Wenn du mich vor drei Monaten gefragt hättest, hätte ich dir geantwortet, daß du jemanden, den du wirklich liebst, gehen lassen mußt. Aber heute sehe ich dich an, träume von Maggie und weiß, daß ich mich getäuscht habe. Wenn du jemanden wirklich liebst, Allie, dann mußt du ihn festhalten, glaube ich.«
    Sie setzte Jamie an Angus' Haus ab und fuhr dann durch das Straßengewirr von Wheelock, an ihrem Haus vorbei und an der Polizeistation, bis zum Glory in the Flower.
    Allie ließ das ›Geschlossen‹-Schild an der Tür hängen und ging ans Kühlregal, wo die meisten der von ihr gekauften Blumen vor sich hinwelkten und -starben. Doch sie war nicht gekommen, um Großputz zu machen. Mit einem flüchtigen Blick holte sie ein paar tote Lilienstengel aus ihren Eimern und warf sie zum Abfall. Dann zog sie den Hundert-Liter-Müllsack aus der großen Metalltrommel, verknotete ihn und stellte ihn nach draußen neben die Hintertür.
    Sie wußte, daß sie den Nachbarn einen Schrecken einjagen würde – trotzdem riß sie alle Fenster auf, so daß der Biß des Winters und die frische, unverbrauchte Luft hereinwehen konnten. Sie kramte in ihren Trockenblumenvorräten und sortierte jeden Lorbeerzweig heraus, den sie nur auftrieb. Einige zupfte sie aus den Arrangements, die sie zum Verkauf an der Wand aufgehängt hatte. Sie durchstöberte die verrottenden Pflanzen im Kühlregal und entdeckte nochmals frischen Lorbeer, dessen dicke, seilige Ranken sich um ihre Handgelenke schlangen. Dann ließ sie alles in die Metalltrommel fallen, warf ein paar zusammengeknüllte Zeitungsseiten dazu und zündete es an.
    Der Legende nach verbrannten junge Mädchen Lorbeer, wenn sie die Liebe ihres abtrünnigen Geliebten wiedergewinnen wollten.
    Sie beugte sich über die Trommel und ließ den Rauch um ihr Gesicht herum aufsteigen, bis sie husten mußte und ein süßer, aschiger Geruch sich in ihrem Haar und ihrem Mantel festsetzte, der so lang wie möglich darin haften bleiben sollte.
    Allie schloß die Augen, und nur darum nahm sie die dornige Ranke der Morgenwinde nicht wahr, die sich an ihrem Ärmel verfangen hatte und deren glockenförmige Blüten sich schlossen, als sie in die Flammen fielen. Deshalb konnte ihr auch nicht einfallen, daß die Morgenwinde ebenfalls mit einem Feuermythos verbunden war; daß die knisternden Ranken einst von dem baldigen Tod eines Menschen kündeten, der einem nahestand.
    Als Allie in ihr Haus zurückkehrte, saß Cam bereits im Wohnzimmer und schaute sich die Abendnachrichten an. Er hatte sich eine Dosensuppe warm gemacht und ihr mindestens die Hälfte übrig gelassen.
    Sie zog ihren Mantel aus und ließ ihn auf einem Eßzimmerstuhl gleiten, so daß der Ärmel über Cams Waffengurt zu liegen kam. »Hi«, sagte er. »Wie war die Verhandlung?«
    »Sie wurde vertagt«, gab sie Auskunft. Sie nahm die Post, die Cam ihr auf den Tisch gelegt hatte, und sah die Rechnungen und Kataloge durch. »Die Tochter des Richters hat sich das Bein gebrochen.«
    Cam sah Allie an. »Ein Glücksfall!«
    Sie zog eine Achsel hoch. »Jamie glaubt das wohl auch. Graham hält sich bedeckt.«
    »Hast du die Suppe gesehen?«
    Allie nickte. Müde sank sie aufs Sofa, schlüpfte aus ihren Schuhen und schob die Füße in den Spalt zwischen zwei Polstern.
    »Soll ich sie dir bringen?« Sie schüttelte den Kopf. Cam stellte seine Suppenschale auf dem Boden ab und setzte sich ihr gegenüber ans andere Ende der Couch. Sehnsüchtig blickte er auf die Stelle, an der sein Lehnsessel gestanden hatte. »Wer hat den Sessel gekauft?«
    »Darby Mac. Für seine Frau.«
    »Glaubst du, er überläßt ihn mir wieder?«
    Allie legte den Kopf schief, als sähe sie den Sessel immer noch an seinem früheren Platz stehen. »Keine Ahnung!« Sie verschränkte die Arme. »Das hättest du dir früher überlegen sollen.«
    Einen Augenblick schwiegen beide. »Was hast du den ganzen Tag gemacht?« fragte Cam.
    Allie starrte ihn an. Sie konnte sich nicht entsinnen, wann Cam ihr das letzte Mal diese Frage gestellt hatte. Sonst hatte immer sie ihn gefragt. »Erzähl mir was«, sagte sie. »Worüber haben wir uns davor immer unterhalten?«
    »Wovor?«
    Allie machte eine Handbewegung. »Davor.«
    Cam ließ den Kopf zurücksinken »Also, ich glaube, der Unterschied besteht hauptsächlich darin, daß du davor tatsächlich etwas zu unseren Gesprächen beigetragen

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