In einer Winternacht
ins Zimmer trat. »Vic, wer war denn die Dame, die Bessies rosageblümtes Nachthemd trug? Eine Schauspielerin? Eine Komplizin, die am Gewinn beteiligt ist?« Baker machte den Mund auf, doch Alvirah ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Ich habe hier Fotos von Bessie, aufgenommen vor einigen Wochen beim Erntedankfest – hübsche Portraits.« Sie reichte den Gordons die Bilder. »Sagen Sie ihnen, was Sie mir eben erzählt haben.«
»Das ist eindeutig nicht die Dame, die an jenem Tag im Bett lag und die das Testament unterschrieben hat«, erwiderte Jim Gordon, nachdem er die Fotos betrachtet hatte.
»Es besteht zwar eine gewisse Ähnlichkeit, aber sie ist es auf keinen Fall«, stimmte Eileen Gordon zu und schüttelte heftig den Kopf.
»Sprechen Sie weiter, Eileen«, forderte Alvirah sie auf.
»Als wir nach unten kamen, war die Wohnzimmertür aufgegangen und wir konnten eine alte Dame in diesem Sessel sitzen sehen.« Eileen zeigte auf Bessies Sessel. »Sie hat sich nicht umgedreht, aber ich konnte ihr Profil gut erkennen. Es war die Dame auf Alvirahs Erntedank-Fotos.«
»Wollen Sie noch mehr hören, Vic, alter Junge?« fragte Willy. »Morgen wird Kate das Testament anfechten, und die Gordons werden ihre Geschichte erzählen. Dann dauert es nur noch ein paar Tage, bis man Ihnen wegen Ihrer Betrügereien den Prozeß macht.«
»Ich denke, es ist wohl besser, wenn wir ausziehen«, sagte Vic Baker höflich. »Kate, wir werden uns wegen dieses Mißverständnisses sofort verabschieden. Komm, Linda, wir packen.«
»Gut, daß wir Sie beide endlich los sind«, rief Alvirah ihnen nach. »Hoffentlich kommen Sie ins Gefängnis.«
»Sie hatten mich gebeten, Champagner mitzubringen«, meinte Monsignore Ferris ein paar Minuten später zu Alvirah, während er im Eßzimmer die Flasche entkorkte. »Jetzt weiß ich, warum.«
Schwester Cordelia und Kate konnten ihr Glück noch kaum fassen. »Nun verliere ich mein Zuhause nicht«, sagte Kate mit zitternder Stimme.
»Und ich muß meine Kinder nicht im Stich lassen«, jubelte
Schwester Cordelia. »Gedankt sei Gott dem Herrn.«
»Und Alvirah«, fügte Schwester Maeve Marie hinzu und
erhob ihr Glas.
Monsignore Ferris’ Miene verdüsterte sich. »Wenn Sie doch
nur das vermißte Baby und den gestohlenen Kelch des Bischofs
zurückholen könnten, Alvirah.«
»Alvirahs Motto lautet, daß man nie aufgeben darf«, meinte Willy stolz. »Und ich würde jede Wette eingehen, daß sie das Rätsel auch diesmal löst.«
28
W
ie versprochen holte Lenny Stellina am Montag von der
Schule ab. »Star«, sagte er rasch. »Nonna hatte einen Schwächeanfall, und der Arzt mußte kommen. Sie haben einen Krankenwagen gerufen. Vielleicht muß sie eine Woche im Krankenhaus bleiben, doch sie wird wieder gesund, da bin ich ganz sicher.«
»Wirklich?« fragte Stellina und musterte ihn forschend. »Da kannst du Gift drauf nehmen.«
Stellina rannte voraus. Als sie um die Ecke bog, sah sie, wie eine fahrbare Krankentrage aus dem Haus zum wartenden Krankenwagen geschoben wurde. Mit klopfendem Herzen lief sie darauf zu.
»Nonna, Nonna!« rief sie und streckte die Arme nach ihrer geliebten Großtante aus.
Lilly Maldonado zwang sich zu einem Lächeln. »Stellina, meinem Herz geht es gar nicht gut, aber sie werden mich wieder gesund machen, und dann komme ich nach Hause. Und jetzt wäschst du dir die Hände, kämmst dich und ziehst dein Marienkostüm an. Heute abend nach dem Krippenspiel bringt Daddy ein paar von deinen Sachen zu Mrs. Nuñez. Du wirst bei ihr wohnen, bis ich aus dem Krankenhaus entlassen werde.«
»Nonna«, flüsterte Stellina. »Rajid, der einen der heiligen drei Könige spielt, hat den Myrrhenkrug fallengelassen. Darf ich bitte den Kelch meiner Mutter zum Krippenspiel mitnehmen, damit er ihn statt dessen benutzen kann. Es war einmal ein heiliger Kelch. Du hast mir erzählt, er hätte Mutters Onkel, einem Priester, gehört. Bitte, ich verspreche dir, gut darauf aufzupassen.«
»Wir müssen los, Kleine«, sagte der Sanitäter und wollte Stellina am Arm von der Trage wegziehen. »Du kannst Nonna im St. Luke’s Hospital besuchen. Das ist in der 113. Straße, nicht weit von hier.«
Tränen traten Stellina in die Augen. »Mein Gebet wird nur dann erhört werden, wenn ich den Kelch mitbringe, Nonna. Bitte, erlaub es mir.«
»Worum willst du denn beten, bambina ?« fragte Lilly mit schleppender Stimme. Die Sanitäter hatten ihr ein Beruhigungsmittel verabreicht.
»Darum, daß meine Mutter zurückkommt«,
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