In einer Winternacht
besser.
»Komm, Star, gehen wir«, befahl er ihr. »Wir hauen ab. Nimm nichts mit außer deinem Kelch.« Er wußte, daß es Wahnsinn war, das Kind mitzuschleppen, denn schließlich war ihm die Polizei auf den Fersen. Allerdings war sie sein Talisman, sein Glücksstern.
»Gehen wir jetzt Nonna besuchen, Daddy?«
»Später, morgen vielleicht. Ich habe gesagt, du sollst mitkommen. Wir müssen los.« Er packte sie an der Hand und zog sie aus der Wohnung.
Stellina hielt den Kelch fest umklammert und stolperte hinter ihm her. Ohne die Tür abzuschließen, rannten sie die Treppe hinunter. Eine Etage, zwei Etagen, drei Etagen, Stellina hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten.
Auf dem letzten Treppenabsatz vor dem Erdgeschoß blieb Lenny stehen und lauschte. Nichts, dachte er erleichtert. Das gestohlene Auto parkte gleich vor der Tür. Wenn er es erreichte, war er ein freier Mann.
Er hatte die Eingangshalle schon fast durchquert, als plötzlich die Vordertür aufgerissen wurde. Lenny zerrte Star vorwärts und tat so, als griffe er nach einer Pistole. »Wenn ihr schießt, ist es aus mit ihr!« brüllte er, doch es klang wenig überzeugend.
Joe Tracy leitete den Einsatz, und er hatte nicht vor, das Leben eines Kindes aufs Spiel zu setzen, auch wenn sich die Drohung noch so unglaubwürdig anhörte. »Alles zurück!« befahl er. »Laßt ihn gehen.«
Das Auto stand nur ein paar Meter entfernt vom Hauseingang. Hilflos mußte die Polizei zusehen, wie Lenny Star zum Wagen schleppte, die Fahrertür öffnete und seine Tasche hineinwarf. »Steig ein und rutsch durch«, drängte er. Er hatte zwar nicht vor, ihr auch nur ein Haar zu krümmen, aber das wußte die Polizei zum Glück nicht.
Star gehorchte. Doch als Lenny einstieg, die Wagentür zuknallte und ihre Hand losließ, um den Zündschlüssel umzudrehen, riß sie blitzartig die Beifahrertür auf und sprang aus dem Wagen. Ihren Kelch fest umklammert und mit wehendem Schleier rannte sie die Straße entlang, während die Polizei sich dem Wagen näherte.
Zehn Minuten später trafen Alvirah, Willy und Monsignore Ferris ein. Lenny saß, mit Handschellen gefesselt, hinten in einem Streifenwagen. Sie stiegen die Treppe zur Wohnung hinauf und stellten fest, daß Stellina und der Kelch verschwunden waren.
Im Wohnzimmer der Wohnung, wo Stellina in den vergangenen sieben Jahren gelebt hatte, erzählten sie Joe Tracy von dem Kelch und ihrer Vermutung, daß Stellina das vermißte Kind von St. Clement war.
Einer der Polizisten kam aus Lennys Zimmer. »Schau dir das mal an, Joe. Das klemmte zwischen Regalbrett und Wand im Kleiderschrank.«
Joe las den zerknitterten Brief und reichte ihn dann Alvirah. »Sie ist das vermißte Kind, Mrs. Meehan«, sagte er. »Dieser Brief bestätigt es. Es ist die Nachricht, die die Mutter an der Babydecke befestigt hatte.«
»Ich muß telefonieren«, seufzte Alvirah erleichtert. »Allerdings erst, wenn wir Stellina gefunden haben.«
»Wir durchsuchen die ganze Stadt nach ihr«, erwiderte Tracy. Sein Mobiltelefon läutete. Er hörte zu und grinste dann übers ganze Gesicht. »Sie können anrufen«, meinte er zu Alvirah. »Die kleine Muttergottes wurde gerade aufgegriffen, als sie den ganzen Weg zum St. Luke’s Hospital zu Fuß gehen wollte, um ihre Nonna zu besuchen.« Er sprach ins Telefon. »Bringt sie hin«, befahl er. »Wir treffen uns am Krankenhaus.« Er drehte sich zu Alvirah um, die gerade nach dem Telefon auf dem Beistelltisch griff. »Ich nehme an, Sie wollen sich mit der Mutter des Kindes in Verbindung setzen.«
»Ganz richtig.« Bitte, laß Sondra im Hotel sein, schickte
Alvirah ein Stoßgebet zum Himmel.
»Ms. Lewis speist mit ihrem Großvater im Hotelrestaurant«,
erklärte der Mann an der Rezeption. »Soll ich sie ausrufen lassen?«
Als Sondra am Apparat war, sagte Alvirah: »Besorgen Sie sich so schnell es geht ein Taxi und kommen Sie ins St. Luke’s Hospital.«
Detective Tracy nahm ihr den Hörer aus der Hand. »Vergessen Sie das Taxi. Ich schicke Ihnen einen Streifenwagen, Ma’am. Es gibt da nämlich ein kleines Mädchen, das Sie sicher gern sehen möchten.«
Vierzig Minuten später standen Alvirah, Willy, Monsignore Ferris, Joe Tracy, Sondra und ihr Großvater vor Lillys Krankenzimmer auf der Herzstation.
»Sie ist da drin bei der Frau, die sie großgezogen hat«,
flüsterte Alvirah. »Wir haben ihr noch nichts gesagt. Das müssen Sie tun.«
Bleich und am ganzen Leibe zitternd öffnete Sondra die Tür.
Stellina stand am Fuße des
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