In eisigen Kerkern (German Edition)
Kommunikations-Irrläufer, das waren eben die Unsicherheiten des Neuanfangs. Ich dachte sogar noch: Schön, wir sind ja fast schon so was wie Freundinnen geworden – dabei muss sie diesen Mordauftrag an mich die ganze Zeit über geplant haben.
„Ich will dir sagen, wieso“, krächzte Monika und war nahe am Kreischen. „Weil ich es dir sage, deshalb.“
„Du denkst, sie hat den Tod verdient?“
„Das sowieso, aber darum geht es nicht. Ich will sie als Opfer. Ihr Tod als Sühne für alles, was mir angetan wurde.“
„Das ist Schwachsinn.“
„Aber verstehst du denn nicht?“
Ihr Stimme nahm einen verklärten, beinahe sanften Klang an, als sie weitersprach. „Nelli, das ist genau der Moment, auf den du gewartet hast. All die Jahre mit schlechtem Gewissen, dein Vorsatz umzukehren, mir alles zu erklären, dich bei mir zu entschuldigen und Buße zu tun. Diese Chance gebe ich dir jetzt. Wasche dich rein mit ihrem Blut.“
Nelli schaute sie an und rannte gedanklich in tausend Richtungen los. Wie ging man mit einem Menschen in ihrer Verfassung um? Sollte sie versuchen, sie mit Argumenten zu überzeugen? Ihr gut zureden? Sie angreifen und überwältigen?
Nelli schüttelte langsam und bestimmt den Kopf.
„Hör mal, Nelli“, antwortete Monika auf das Kopfschütteln. Sie sprach so einfühlsam und zugleich drohend wie zu einem unfolgsamen Kind. „Sieh es doch einfach als meine Aufgabe an dich. Frag dich nicht, ob es richtig oder falsch ist, sondern tu es einfach nur deshalb, weil ich es will. Und um dich zu läutern.“
Läutern. Das war so blödsinnig, ein Satz wie aus einem Kitschroman. Aber ihr war es tödlich ernst damit. Es blieb Nelli gar keine andere Möglichkeit als dem Aberwitz mit einer Banalität zu begegnen.
„Läutern kann man sich nur durch gute Taten, nicht durch Mord.“
„Aber das ist ja auch gar kein Mord.“
„Was denn sonst?“
„Gerechte Strafe. Wie gesagt, den Tod hat sie allemal verdient.“
„Hat sie nicht.“
„Ach nein? Hat sie mich etwa nicht unter Drogen setzen, entführen, in einen Sack stecken, in einen Keller schleppen und dort wie eine Mumie liegen lassen? Hat sie etwa nicht versucht, mich erfrieren zu lassen?“
Nelli nickte, und plötzlich begriff sie, warum sie hier waren. Monikas Trauma in Andis Keller damals – und jetzt musste es wieder ein Keller sein, Fiona Herolders eigener Keller, in dem sie ihre vermeintlich gerechte Strafe finden sollte.
„Dich wollte sie doch auch umbringen!“, setzte Monika ihre Anklage fort.
„Ich weiß.“
„Und diesen Jungen, Rolf, den hat sie tatsächlich umgebracht.“
„Nicht sie.“
„Aber sie hat ihn auf dem Gewissen. Außerdem hat sie uns um wer weiß wie viele 100.000 Euro betrogen.“
„Das ist alles richtig, aber trotzdem haben wir nicht das Recht...“
„Und ob wir das haben! Wenn wir keine Gerechtigkeit walten lassen...“
„Selbstjustiz ist keine Gerechtigkeit.“
„Sie laufen lassen aber auch nicht. Sie kommt doch wieder davon. Genau wie letztes Mal. Sie kommt immer davon.“
„Da hast du recht, davonkommen soll sie nicht. Und deshalb werden wir einen Weg finden, einen besseren. Aber vorher... beruhigen wir uns erst mal.“
Nelli ging einen kleinen, vorsichtigen Schritt auf sie zu und streckte langsam die Hand aus.
„Gib mir den Feuerlöscher, Monika.“
Monika zielte mit der Schlauchspitze auf Nellis Augen, spielte mit dem Finger am Auslöser und schüttelte den Kopf. Nelli blieb stehen, die beiden starrten sich an. Plötzlich begann Monika, mit dem Kopf zu nicken.
„Okay, du willst sie also nicht aus Sühne oder Gerechtigkeit töten. Dann gebe ich dir ein anderes Argument: Wenn du sie nicht tötest - töte ich dich.“
Nelli verdrehte die Augen und seufzte.
„Das ist doch Wahnwitz.“
„Du oder sie, eine von euch beiden stirbt heute Nacht.“
Fiona Herolder lag von den beiden abgewandt, aber drehte mit aller Kraft den Kopf so weit es ging in ihre Richtung. Sie gab leise Stöhngeräusche von sich, wollte auf sich aufmerksam machen.
„Sie sollte sich zumindest verteidigen dürfen“, sagte Nelli matt, weil ihr gar nichts anderes mehr zu sagen einfiel.
Monika schüttelte nur den Kopf.
„Was ist überhaupt mit ihren Armen passiert, was sind das für Wunden?“
„Mir war langweilig. Ich hab sie ein bisschen bearbeitet. Mit dem Taschenmesser.“
„Um Himmels willen, Monika!“
„Tu es jetzt! Sonst probier ich an dir aus, was mein Taschenmesser noch alles kann.“
Nelli presste
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