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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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am Fenster und versuchte anscheinend, den hölzernen Rahmen zu essen.
    Aber Beth schaute erschrocken auf und ihre Augen waren klar und wach. » John!«, rief sie heiser, als sie sah, wer es war. » Mein Gott, ich hatte fast aufgegeben, für Euch zu beten! Nehmt Euer Schwert und zerschlagt diesen Holzbolzen – mit den Zähnen komme ich nicht voran.«
    Er stand auf, eilte auf sie zu, glitt einmal auf den Blättern aus und blinzelte benommen den Riegel an. Vorsichtig hob er sein Schwert. » Es überrascht mich, dass Ihr mich erkannt habt«, bemerkte er schwachsinnigerweise.
    » Natürlich erkenne ich Euch, obwohl Ihr in der Tat übel zerschunden ausseht. Wann habt Ihr das letzte Mal geschlafen?«
    » … ich erinnere mich nicht.« Er zielte und schlug mit dem Degen zu. Beth zog die Reste des Bolzens heraus und drückte das Fenster auf, und die kühle Nachtluft vertrieb die abgestandenen Gerüche des Raumes und ließ die Rufe der tropischen Vögel aus dem Dschungel herein.
    » Hier draußen ist ein Dach«, sagte sie. » An der Nordseite steht das Haus so nah am Hang, dass wir ohne Gefahr hinunterspringen können. Jetzt hör zu, John, ich …«
    » Wir?«, unterbrach Shandy sie. » Nein, Ihr seid jetzt in Sicherheit. Mein Onkel – Joshua Hicks – ist tot. Ihr seid …«
    » Seid nicht dumm, natürlich komme ich mit Euch. Aber hört zu, bitte! Diese Kreatur in der Ecke ist tot umgefallen – abermals tot, sollte ich sagen –, und zwar gestern Abend, und so habe ich seither nichts mehr von diesen verdammten Pflanzen zu mir genommen, aber ich bin schrecklich schwach und ich habe Anfälle von … ich weiß nicht, Orientierungslosigkeit. Ich schlafe irgendwie mit offenen Augen ein. Ich weiß nicht, wie lange es anhält, aber es hört dann wieder auf – wenn ich also einschlafe, wenn ich plötzlich leer dreinstarre, beunruhigt Euch nicht, sorgt nur dafür, dass ich mich weiterbewege. Ich komme da wieder heraus.«
    » Ähm … also schön.« Shandy trat durch das Fenster auf das Dach hinaus. » Seid Ihr sicher, dass Ihr mit mir kommen wollt?«
    » Ja.« Sie folgte ihm hinaus, taumelte und griff nach seiner Schulter, dann holte sie tief Luft und nickte.
    » Ja. Los jetzt.«
    » Gut.«
    Durch das offene Fenster hinter ihnen konnten sie Schritte lautstark, aber zögerlich die Treppe heraufkommen hören, daher ergriff er ihren Ellbogen und führte sie, so schnell er es wagte, zum Nordende des Daches.

Epilog
    Es schwand erblassend mit des Hahnes Krähen.
    Sie sagen, immer wann die Jahrszeit naht,
    Wo man des Heilands Ankunft feiert, singe
    Die ganze Nacht durch dieser frühe Vogel.
    Dann darf kein Geist umhergehen, sagen sie,
    Die Nächte sind gesund, dann trifft kein Stern,
    Kein Kobold schweift, noch mögen Hexen zaubern:
    So gnadenvoll und heilig ist die Zeit.
    William Shakespeare
    Sie gingen stundenlang, mieden die breiteren, besser gewarteten Straßen wegen der Trupps berittener, fackeltragender Soldaten, die anscheinend durch ganz Spanish Town patrouillierten. Shandy führte Beth über niedrige Steinmauern, schmale Pfade entlang und zwischen Reihen von Zuckerrohr hindurch. Zweimal schlugen Hunde an, aber beide Male konnte Shandy sie mit nur einer Geste und einer kleinen, gepfiffenen Melodie zum Schweigen bringen. Doch mit den Moskitos wurde er nicht so einfach fertig und musste sich damit begnügen, Schlamm auf sein Gesicht und auf das von Beth zu schmieren. Er konnte Richtungen abschätzen und sogar mit einiger Sicherheit erraten, welche Stunde sie hatten, indem er zum Himmel aufsah, wann immer ihr Weg nicht überwölbt war von Vegetation … aber er warf den Kompass nicht weg, den er an diesem Nachmittag gekauft hatte, auch wenn ihm sein Gewicht die Jacke an einer Seite herabzog.
    Mehrmals schien Beth zu schlafwandeln und wäre dann direkt gegen irgendwelche Bäume gelaufen, hätte er sie nicht vorsichtig an der Hand genommen, und für eine Weile schlief sie dann einfach, und er musste sie tragen, voller Neid. Aber während des größten Teils ihres Marsches war sie wach und klar, und sie und Shandy beschäftigten sich während der langen Meilen damit, sich im Flüsterton zu unterhalten. Sie erzählte ihm von ihren Jahren in dem schottischen Kloster, und er beschrieb seine Reisen mit seinem Vater und den Marionetten. Sie fragte ihn nach Ann Bonny, in einem Tonfall, der so betont beiläufig war, dass er spüren konnte, wie ihm das Herz in der Brust hämmerte. Trunken vor Erschöpfung und Glück erlaubte er sich, die

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