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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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Wellen.
    Shandy lächelte und hielt sechs Escudos in der Hand, als er Beth Hurwood auf die Bretter des Piers führte …
    Dann geriet sein Lächeln in Unordnung und verschwand, denn er hatte die leblosen, trüben Augen in den grauen Gesichtern bemerkt, die an die Köpfe gebundenen Unterkiefer, die zugenähten Hemden und die bloßen Füße.
    » Oh verdammt«, flüsterte er hoffnungslos, als er begriff, dass keiner von ihnen beiden die Kraft hatte wegzulaufen – er hatte schon genug Mühe, nur stehen zu bleiben. Ohne Überraschung beobachtete er, wie sich die Gestalt am Ende des Piers erhob, die Decke abstreifte und den Hut fortwarf, sodass die Morgensonne auf den kahlen Schädel fiel. Der Mann nahm die Zigarre aus dem Mund und lächelte Shandy an.
    » Danke, Jack«, polterte er. » Kommt, meine Liebe.« Er winkte Beth heran, und sie stolperte vorwärts, als würde sie von hinten gestoßen. Die Samtjacke glitt von ihren Schultern und fiel auf die verwitterten Planken des Piers.
    Beinahe im gleichen Augenblick gaben Shandys Knie nach und er setzte sich abrupt auf die Planken. » Ihr seid tot«, murmelte er. » Ich habe Euch getötet … auf der Treppe.«
    Beth machte zwei weitere schnelle, schwankende Schritte. Der kahle Mann schüttelte bekümmert den Kopf, als habe Shandy sich als ein enttäuschender Schüler erwiesen. Er paffte an der Zigarre und wedelte mit der glühenden Spitze in Shandys Richtung. » Komm schon, Jack, erinnerst du dich nicht an die langsam glimmenden Zündschnüre, die ich in mein Haar und meinen Bart zu flechten pflegte? Langsam schwelendes Feuer, das ist die Drogue, die Baron Samedis schützende Aufmerksamkeit wachhält. Eine brennende Zigarre funktioniert genauso gut. Deine Klinge hat mich getroffen, in der Tat, aber der Baron, der gute alte Herr der Friedhöfe, behob den Schaden, bevor ich Zeit hatte, mein Leben auszuhauchen.«
    Beth torkelte jetzt auf halbem Wege zwischen ihnen und die Sonne ließ ihr Haar glänzen wie frisch geschliffenes Kupfer. Shandy tastete sich über das Holz und den Rockschoß, er versuchte, Kraft zu sammeln und wieder aufzustehen.
    » Aber ich bin nicht nachtragend«, fuhr der Riese fort, » ebenso wenig wie Davies es war, als du ihn verletzt hast. Ich bin dankbar dafür, dass du mir meine Braut gebracht hast – die einzige Frau auf der Welt, die im Erebus Blut vergossen hat –, und ich hätte dich gern als meinen Quartiermeister.«
    Tränen tropften aus Shandys blinzelnden Augen auf die Planken. » Vorher sehe ich Euch in der Hölle, Schwarzbart.«
    Der Riese lachte, obwohl sein Blick jetzt starr auf der schlanken Gestalt Beth Hurwoods ruhte. » Schwarzbart ist tot, Jack«, sagte er, ohne die Frau aus den Augen zu lassen. » Du musst es gehört haben. Es ist absolut bestätigt worden. Ich brauche jetzt einen neuen Spitznamen. Glatzkopf vielleicht.« Er lachte wieder, und seine reglosen, toten Matrosen taten das Gleiche und wieherten wie kranke Pferde durch ihre Nasen.
    Shandy hatte, ohne nachzudenken, die Samtjacke zu sich herangezogen, und jetzt spürte er den harten Klumpen darin. Er schob die Hand in die Tasche und legte sie auf den Kompass, den er gekauft hatte. Sein Herz begann zu hämmern, und mit einem Stöhnen, von dem er hoffte, dass es überzeugend verzweifelt klang, ließ er sich mit dem Gesicht voraus auf den Pier fallen, über den Mantel.
    Der Riese streckte Beth die Hand entgegen.
    Shandy zog den Kompass aus der Tasche und fummelte dann für einen Moment hilflos daran herum – er hatte nichts, um das Glas über der Rose zu zerbrechen!
    Schwarzbart berührte Beth Hurwood, und die Luft selbst schien zu klingen, als sei der Himmel angeschlagen worden wie eine große Glocke.
    Shandy öffnete den Mund, klemmte den Kompass zwischen die Zähne und biss sie zusammen. Er schmeckte Messing und spürte, wie ein Backenzahn abbrach, bis ihm schwindlig und übel war und seine Zähne und Kiefermuskeln Qualen litten; er hob den Kopf und sah Schwarzbarts Hand auf Beth’ Schulter, und der Anblick verlieh ihm ein wenig mehr Kraft. Das Glas brach unter seinen Schneidezähnen, und nachdem er Scherben und Blut ausgespuckt hatte, nahm er das Gerät aus dem Mund, löste die Kompassnadel, zog dann seinen Säbel und stieß die Nadel unter das Leder des Griffs, bis er spürte, dass sie das Eisen darunter erreicht hatte. Danach legte er seine behandschuhte Rechte sachte auf den Griff, sodass das herausragende Ende der Nadel sich in seine Handfläche drückte … und presste

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