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In Gedanken bei dir (German Edition)

In Gedanken bei dir (German Edition)

Titel: In Gedanken bei dir (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein , Lara Myles
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auch ... Wenn Cassies Tochter eine teure
Behandlung braucht, die die Krankenversicherung nicht finanziert, dann bekommt
sie sie. Von mir.
    Aber
wie bringe ich Cassie dazu, mir von Jolie zu erzählen?
    Das
schaffe ich wohl nur, indem ich ihr von meinen Kids erzähle. Aber wie soll ich
dieses Thema ...
    »Alex?«
Cassie schenkte ihm Wein ein, wischte die Tropfen an der Flasche mit ihrer
Papierserviette ab und schob das Glas zu ihm herüber. »Erzählst du mir von
deiner Familie? Von Marlee und den Kindern?«
    Er
trank einen Schluck.
    Wie
hoch darf die Dosis Realität sein, damit Cassie nicht zusammenbricht? Damit sie
von ihren eigenen Problemen abgelenkt ist, ohne von meinen Sorgen belastet zu
werden? Damit sie spürt, dass ich aufrichtig bin, und auch sie sich
entschließt, sich mir endlich anzuvertrauen?
    Okay,
ich erzähle ihr einfach, warum ich zu spät gekommen bin: Weil Marlee mir eine
Nachricht auf der Voice Mail hinterlassen hat, dass Jordans Lehrerin sie
sprechen will.
    Marlees
Sohn leidet unter ADHS, einer Aufmerksamkeitsdefizit- und
Hyperaktivitäts-Störung. In der Schule ist er unkonzentriert, er lernt nur
widerwillig, obwohl er sehr intelligent ist, und er überschätzt sich
regelmäßig. Wie oft muss er mir beweisen, was für ein taffes, cleveres Kerlchen
er ist. Und wie oft muss ich ihn zur Rede stellen, weil er wieder irgendwelchen
Unsinn angestellt hat, ihm seine Grenzen aufzeigen, ihn sogar gegen mich
kämpfen zu lassen. Ja, das imponiert Jordan, und wie. Er kämpft gern gegen mich,
auch wenn er jedes Mal verliert. Der Kleine braucht das, er braucht die
physische und psychische Auseinandersetzung mit mir, dem Stärkeren, zu dem er
aufschauen kann und den er ernst nehmen kann, und er braucht den ... Wie soll
ich es für Cassie beschreiben? ... den emotionalen Abrieb, der die
schmerzhaften Kanten seiner Gefühle abschmirgelt und die Situation für ihn
erträglich macht.
    Als
er Cassie erzählte, dass Marlee und er vor einigen Wochen mit Jordan in der
Klinik waren, um den Kleinen auf eine Medikation einzustellen, die seinen
Leidensdruck lindern könnte, wurde ihr Blick weich und gefühlvoll.
    Okay,
Alex, erzähl einfach weiter: Der Psychotherapeut hatte uns nahe gelegt, Jordan
in einem Heim unterzubringen, wo er Tag und Nacht betreut wird, aber das kommt
für uns natürlich nicht infrage. Marlee und ich sind uns einig, dass es unsere
Aufgabe als Eltern ist, und in diesem Fall sehe ich mich als Jordans Daddy, den
Kleinen zu erziehen.
    Na
gut, Jordan macht bei den Hausaufgaben Flüchtigkeitsfehler, er schafft es
nicht, längere Zeit aufmerksam und konzentriert bei einer Sache zu bleiben,
ohne sich ablenken zu lassen, er trödelt herum und er verschusselt ständig
seine Sachen. Selbst sein geliebtes Nintendo. Er hasst das Lernen, das
Schreiben, das Rechnen, überhaupt das Stillsitzen, mehr als er Fischstäbchen
mit Kartoffelpü hasst ... oder sein Kinderzimmer aufzuräumen. Nicht, dass er
sich nur drücken will, weil ihn Schreiben und Rechnen überfordern. Er kann es
einfach nicht. Er quält sich, er starrt minutenlang aus dem Fenster, bevor er
die nächste Rechenaufgabe angeht oder den nächsten Satz im Aufsatz hinkritzelt,
er jammert, er zieht eine Schnute und manchmal heult er sogar. Aber wenn ich
ihn in den Arm nehmen und trösten will, schlägt er nach mir – für mich ein
Zeichen eines Minderwertigkeitsgefühls, das für ihn unerträglich ist, und
seines starken Empfindens von Schwäche und Ohnmacht.
    In
der Schule bleibt er weit hinter den anderen zurück, und das weiß er auch.
Seine Noten sind alle am roten Ende der Skala, mehr oder weniger am Anschlag.
Jordan unterbricht ständig, quasselt ohne Punkt und Komma und stört andere
mutwillig, um seine Unsicherheit zu überdecken. Wenn er es nicht schafft, im
Mittelpunkt zu stehen und das lauteste und frechste und nervigste Kind im Raum
zu sein, dann schlägt er schon mal zu und prügelt sich mit Schwächeren, die
sich gegen ihn nicht wehren können – nur um sich gut zu fühlen, stark und
überlegen.
    Aber
wenn ich meine neue Tätigkeit in Vancouver angetreten habe, werde ich jeden
Morgen und jeden Abend für ihn da sein. Ich kann ihm bei den Hausaufgaben
helfen, ich kann mit ihm joggen gehen, er fährt nämlich gern mit seinem
Skateboard neben mir her – nur um mir zu zeigen, dass er schneller ist als ich.
Und ich kann mit ihm in der Wildnis campen, mit Schlafsack, Zelt und
Lagerfeuer. Ich könnte mit ihm eine lange Wanderung durch die

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