In Gedanken bei dir (German Edition)
Wälder
unternehmen, die ihn völlig auspowert und an seine Grenzen führt, und ich
könnte ihm die Ape Cave zeigen, eine riesige Lavahöhle südlich des Mount St Helens.
Dort kann er sich seinen Ängsten stellen, die er sich auch in der
Psychotherapie nicht eingestehen will. Ich weiß nicht, was Marlees Ex, nicht
der letzte, Jaycies Vater, sondern der vorletzte, seinem Sohn angetan hat. Aber
ich vermute, er hat ihn nicht nur verprügelt, sondern ihm noch viel Schlimmeres
angetan.
Jordan
hat psychische Probleme, die hinter den offensichtlichen Symptomen seiner
Impulsivität und seiner Unaufmerksamkeit fast nicht mehr wahrnehmbar sind. Aber
ich spüre, da ist etwas, das ich erforschen will. Vielleicht kann ich ihm
helfen. Mit Vertrauen, Nachsicht und Liebe.
Ja,
Cassie, auch ich habe Sorgen, dachte Alex, als sie einen Moment schwiegen. Auch
meine Situation ist nicht gerade einfach, aber Marlee und ich kommen schon
klar. Vor allem sie, und Marlee hat es nun wirklich nicht leicht.
Wirklich,
es ist ein seltsames Gefühl, mit Cassie, die noch meine Frau ist, so offen und
ehrlich über meine Freundin und meine Kinder zu sprechen. Die Stimmung zwischen
uns ist vertraut, ja sogar innig.
»Und
Marlee?« Cassie drehte ihr Weinglas zwischen den Händen. »Sechsunddreißig,
zweimal geschieden, vier Kinder von drei Vätern, hast du mir heute Morgen
erzählt. Ist sie noch verheiratet?«
»Nein,
Jaycies Vater, dieser Arsch, hat sie nie geheiratet. Ich kann nur sagen: Was
für ein Glück.«
Cassie
schnaufte durch die Nase. »Marlee hatte es nicht leicht im Leben.«
»Mit
diesen Scheißkerlen? Nein, ganz sicher nicht. Aber der letzte ist der
schlimmste. Marlee hat Angst vor ihm.«
»Wieso,
was tut er?«
»Er
bedroht sie und die Kids.«
»Stalking?«
Alex
nickte. »Bis vor wenigen Tagen war er im Gefängnis, im Oregon State
Penitentiary.«
Cassie
schnappte nach Luft. »Ist er gewalttätig?«
»Ja,
ist er. Ein ganz fieser Typ. Na, jedenfalls stand er am letzten Wochenende plötzlich
vor Marlees Haus in Portland, Oregon. Es war am Freitagabend, sie kochte gerade
Spaghetti mit Tomatensauce für die Kids, und ich war noch auf der Interstate.
Er klopfte, und weil sie ihn durch den Vorhang vor dem Fenster der Haustür
nicht sehen konnte, öffnete sie. Und schon hatte er seinen Fuß in der Tür.
Marlee wollte ihn hinausdrängen, aber er redete auf sie ein, er wolle nur mit
ihr sprechen, nichts weiter. Es würde auch gar nicht lange dauern. Er wäre weg,
bevor ich käme. Also hat Marlee ihn reingelassen. Sie dachte, sie könnte
vernünftig mit ihm reden, damit er sie und die Kinder in Ruhe lässt. Sie
hoffte, dass er nur Geld wollte.«
»Und
dann?«
»Er
ging ins Wohnzimmer, trat auf ein Playmobil, das Jaycie gehört, und stieß mit
dem Fuß gegen Jordans neuen Lego-Bulldozer. Ein paar Streben sind gebrochen.
Totalschaden.«
Cassie
schnaufte. »So ein Arsch.«
»Du
sagst es. Die Kinder steckten die Köpfe aus der Küche, aber Marlee scheuchte
sie wieder zurück. Jaycie hatte ihren Daddy erkannt. Die Kleine ... Das musst
du dir mal vorstellen, Cassie! Jaycie schloss die Tür ab und versteckte sich im
Küchenschrank zwischen den Rührschüsseln und den Muffinbackformen, damit ihr
Daddy sie nicht finden konnte. Sie hat gezittert, und die Tränen strömten ihr
über das Gesicht. Weißt du, wann ich sie zum letzten Mal so gesehen habe? Als
sie sich mitten in der Nacht heimlich Alien angesehen hat. Kannst du dir
das vorstellen? Die anderen drei, Leah, Shari und Jordan, hockten sich auf den
Boden vor dem Schrank, um ihre kleine Schwester vor ihrem Vater, dem Monster,
zu beschützen.«
Cassie
wirkte geschockt. »Wollte er Geld?«
»Nein,
er wollte Jaycie.«
»Um
Marlee zu erpressen?«
»Keine
Ahnung, was er vorhat. Ich habe bisher noch nicht mit ihm gesprochen. Marlee
hat ihm jedenfalls mit dem Sheriff gedroht. Sie hat so laut geredet, dass die
Kinder in der Küche sie gehört haben. Und weißt du, was dann passiert ist? Das
glaubst du echt nicht!«
»Was?«
»Plötzlich
hat Marlee hinter sich ein knirschendes Geräusch gehört. Der Schüssel im
Schloss der Küchentür. Als sie sich umdrehte, stand Jordan in der offenen Tür.
In der Hand hielt er Marlees Smartphone wie Luke Skywalker sein Laserschwert,
und auf dem Display konnte ihr Ex sehen, dass der Kleine 911 gewählt hatte. Der
Lautsprecher war an. Nach dem dritten Klingeln war er schon an der Tür, und als
der Emergency Dispatcher sich meldete, saß er bereits in seinem
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