In Gedanken bei dir (German Edition)
Pickup und gab
Gas.«
»Jordan
ist ein kleiner Held.« Cassie trank einen Schluck Wein. »Wie alt ist er?«
»Er
ist acht. Na ja, fast neun.«
»Ganz
schön mutig.«
»Und
wie! Beim nächsten Mal ging er sogar auf Marlees Ex los, um seine Mommy mit der
Spielzeugpistole zu verteidigen. Acht Schuss hat er auf seinen Stiefvater
abgefeuert, das ganze Magazin. Es waren natürlich keine Kugeln, nicht mal welche
aus Plastik, sondern nur Kracher-Munition, aber dafür ziemlich laut.«
»Nee,
oder? Der Scheißkerl ist noch mal zurückgekommen?«
»Gestern
Abend, kurz vor Mitternacht. Die Kinder waren schon im Bett, Marlee und ich
hatten gerade erst geskypt. Er ist mit Gewalt in ihr Haus eingedrungen und hat
ziemlich randaliert, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Er hat Jaycies
Kinderzeichnungen zerrissen, er hat Spielzeug zertreten und er hat versucht, in
Jaycies Zimmer zu gelangen. Aber Marlee hat ihn davon abgehalten – mit dem
Küchenmesser, du weißt schon, das lange, scharfe fürs Sushi.«
Jaycie
hatte Alex mal anvertraut, warum sie solche Angst vor ihrem Daddy hatte. Sie
war vier gewesen, als er auf ihre Mommy losgegangen war. Die beiden hatten sich
gestritten, zuerst leise, damit die Kinder sie nicht hören konnten. Aber dann
wurde es laut im Haus, und Jaycie kroch aus ihrem Bett und tappte verschlafen
zum Wohnzimmer, wo Mommy und Daddy sich anschrien. Ein Krachen ließ sie
erschrocken zusammenzucken. Dann hörte sie, wie ihre Mommy vor Schmerzen
aufschrie. Ein warmes Rinnsal lief an ihren Beinen hinunter, solche Angst hatte
Jaycie. Sie wollte schreien, aber mehr als ein ersticktes Wimmern brachte sie
nicht heraus. Doch schließlich flüchtete sie zurück in ihr Kinderzimmer, wo sie
sich unter einem Haufen Stofftiere versteckte, damit Daddy sie nicht fand und
ihr ganz doll wehtat, so wie Mommy.
Cassie
stockte der Atem. »War er bewaffnet?«
»Nein,
Marlees Ex hat noch keine Waffe. Aber ich fürchte, das nächste Mal könnte er
eine haben.«
Sie
schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Und wie geht’s jetzt
weiter?«
»Der
Anruf von Marlee heute Mittag, als wir am Toutle River waren ...«
»Ja?«
»Sie
hat mich gefragt, ob ich heute Abend nach Hause komme. Sie wollte mit mir über
Jaycie sprechen.«
»Was
ist passiert?«
»Heute
Morgen hat Marlee den Facebook-Account von Jaycie gecheckt. Die Kleine geht
jeden Morgen vor der Schule online, um mit ihren Freundinnen zu chatten, die
kaum älter sind als sie. Jaycie ist seit einem Jahr Mitglied und weiß genau, wo
sie ihre Häkchen setzen muss, um unerwünschte Mitleser auszuschalten.«
Cassie
atmet langsam aus. »Lass mich raten. Sie hat einen neuen Freund.«
Alex
nickte.
»Was
schreibt er?«
»Dass
er Jaycie ganz doll liebhat. Dass sie das süßeste und bravste kleine Mädchen
auf der ganzen Welt ist. Dass er sich mit ihr treffen will. Dass er viele
Geschenke für sie hat ...«
»Verdammt!«
Er
nickte stumm.
»Alex,
das tut mir so leid«, sagte Cassie sanft und legte ihm die Hand auf den Arm.
Und
das von ihr – in ihrer Situation!, dachte Alex gerührt.
»Du
hast Jaycie sehr lieb«, vermutete Cassie.
Alex
erinnerte sich, wie die Kleine ihn am letzten Sonntag geweckt hatte. Mit einem
Glas Kakao stand sie plötzlich im Schlafanzug neben dem Bett und fragte, ob er
schon wach wäre. Nicht vor dem ersten Kaffee, hatte er geantwortet. Sie hatte
gekichert. Sie wäre noch zu klein, um Kaffee zu kochen, aber einen Kakao hätte
sie ihm mitgebracht. Und die Milch hätte sie sogar im Topf heiß gemacht – die
wäre ganz doll übergekocht und auf dem Herd festgebrannt, aber das könnte Mommy
nachher ja wieder wegmachen. Süß, oder? Einfach niedlich. Dann war sie zu ihm
ins Bett gekrochen, um vor dem Frühstück noch ein bisschen mit ihm zu kuscheln.
»Ich liebe sie, als wäre sie meine eigene Tochter.«
Cassie
sackte in sich zusammen, als hätte er ... ja, was?
Was
habe ich getan!, dachte Alex bestürzt. Auch wenn es wahr ist – wie konnte ich
ihr das nur sagen?
Wie es sich anfühlt, wenn einem das Herz
gefriert?, dachte Cassie. Es tut weh, so weh, dass ich mit den Tränen ringe.
Alex
beugte sich vor, streckte seine Hand aus und befühlte ihre Stirn. »Cassie, es
geht dir nicht gut.«
»Schon
gut«, sagte sie leise. »Ich bin nur müde.«
Mit
dem Daumen strich er ihr sanft über die Stirn, dann nahm er seine Hand weg.
»Cassie ...«
Ich
sehe ihm an, dass er mich etwas fragen will, dachte sie. Er will
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