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In goldenen Ketten

In goldenen Ketten

Titel: In goldenen Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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bißchen.
    »Es gibt eine Menge
Schreiberlinge an Filmzeitschriften, die tausend Dollar dafür geben würden,
wenn sie dafür die Gelegenheit bekämen, so wie Sie eine halbe Stunde lang mit
Ray zu sprechen«, sagte sie. »Sind Sie nicht beeindruckt?«
    »Weder von Ihren
Schreiberlingen noch von Raymond Paxton «, sagte ich
aufrichtig. »Lediglich von Ihnen.«
    »Ich bin geschmeichelt.« Sie
knabberte ein paar Sekunden lang an ihrer Unterlippe. »Es ist alles gut
gelaufen, nicht wahr? Ich meine, Sie werden Ray helfen?«
    »Wenn ich kann«, sagte ich.
»Und ich glaube, es besteht nur eine ganz entfernte Chance.«
    »Man muß ihn gut kennen, bevor
man auch nur anfängt, ihn zu verstehen«, sagte sie schnell. »Wie ich schon
erwähnt habe, unter der rauhen Schale—«
    »-verbirgt sich ein Bursche,
der eine Todesangst hat, seinen Verstand zu verlieren«, vollendete ich ihren
Satz. »Ist Ihnen das je aufgefallen?«
    Ihre großen Saphiraugen
weiteten sich, daß sie riesig wirkten. »Ich halte das nicht für sehr komisch,
Mr. Holman .«
    »Ich auch nicht«, sagte ich.
»Wollen Sie mich bis zum Tor begleiten?«
    »Nein«, fuhr sie mich an. »Ich
habe anderes zu tun. Leben Sie wohl, Mr. Holman .«
    »Ist Paxton verheiratet?«
    Sie schüttelte den Kopf und
warf mir dann einen schnellen, mißtrauischen Blick
zu. »Warum fragen Sie?«
    »Reine Neugierde.« Ich zuckte
die Schultern. »War er je verheiratet?«
    »Meines Wissens nicht.« Ihr
Gesicht wurde hart. »Und machen Sie keine unverschämten Andeutungen, er könnte
schwul sein, denn zufällig weiß ich, daß er das nicht ist.«
    »Dienst auch am Wochenende?«
fragte ich.
    »Es ist jetzt ein läppischer
Gedanke, Mr. Holman «, sagte sie mit gepreßter Stimme. »Aber als wir vorhin zum Wohnwagen gingen
— hätte ich Sie einen Augenblick lang fast gut leiden können.«
    Sie stürmte an mir vorbei, so
daß der Rock des Minikleides um die goldbraunen Oberschenkel flatterte, und
verschwand im Wohnwagen. Mir blieb nichts übrig, als den langen Weg zurück zum
Tor des Filmgeländes einzuschlagen, ganz allein in der heißen Sonne, belastet
mit der zunehmenden Überzeugung, daß ich mit Raymond Paxton am liebsten nichts zu tun haben wollte — überhaupt nichts.
     
     
     

ZWEITES KAPITEL
     
    E in Sonnenstrahl verirrte sich
durch die Jalousien und hüllte den bronzenen Briefbeschwerer auf der mit Leder
bezogenen Schreibtischplatte wie in Scheinwerferlicht. Dr. Dedini widmete diesem Phänomen ein paar Sekunden lang seine uneingeschränkte
Aufmerksamkeit, was mich in die Lage versetzte, ihm die meine zuzuwenden. Er
war ein feinknochiger Mann in einem eleganten Mohairanzug ,
einem hellblauen Hemd und einer kanariengelben Krawatte. Sein olivfarbenes Gesicht
war so glatt und faltenlos, daß der Hauch von Grau an seinen Schläfen Mißtrauen erweckte. Die tiefliegenden braunen Augen waren
von langen, gebogenen Wimpern umsäumt und hatten einen permanenten Ausdruck von
Melancholie, so als ob er den größten Teil seiner Zeit damit verbrächte, über
die Kümmernisse der Welt nachzudenken — oder vielleicht hatte er auch bloß eine
chronisch gestörte Verdauung?
    »Eine sehr unglückliche Sache«,
sagte er ruhig. »Das erstemal in der Geschichte
dieses Sanatoriums, daß sich eine Patientin — äh — entfernt hat, ohne vorher um
Erlaubnis zu bitten.«
    »Wie ist es denn passiert?«
fragte ich.
    Sein schön manikürter Zeigefinger rückte den bronzenen Briefbeschwerer aus dem Licht. »Miss Colenso beschwerte sich, sie könne nicht schlafen, deshalb
brachte ihr die Schwester zwei Schlaftabletten. Als sie das Zimmer betrat,
griff Miss Colenso sie von hinten an und schlug sie
mit einer Vase bewußtlos . Dann zog sie die Tracht der
Schwester an und verließ das Sanatorium.«
    »So leicht war das?« Ich blickte
ihn milde überrascht an. »Trotz der zwei Meter hohen Mauer um das Grundstück
und einem Wärter am Tor?«
    »Man kann nicht erwarten, daß
der Wärter jede Krankenschwester kennt«, sagte er mit sanft vorwurfsvoller
Stimme. »Miss Colenso rannte direkt zum Wärter und
behauptete, es gäbe Unruhe im Sanatorium und seine Hilfe würde dringend
benötigt. Im Augenblick, als er im Gebäude verschwunden war, muß sie das Tor
aufgeschlossen haben und hinausgeschlüpft sein.«
    »Wie lange dauerte es, bis
Ihren Leuten klar wurde, daß sie verschwunden war?«
    »Höchstens fünf Minuten.«
    »Haben Sie nach ihr gesucht?«
    Sein Mund wurde schmal. »Sehr
gründlich, Mr. Holman , und ich kann

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