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In Gottes Namen. Amen!

In Gottes Namen. Amen!

Titel: In Gottes Namen. Amen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Rich
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unterlaufen sei. Jede Sekunde, dachte sie, würde jemand – ein verlegener Mann in einem grauen Flanellanzug vielleicht – an die Tür ihrer Kabine klopfen und ihr so höflich wie möglich erklären, dass sie wieder nach unten müsse.
    »Tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen«, würde er anfangen. »Aber …«
    Sie stellte sich vor, wie sie in den vierten Stock zurückkehrte und unter Tränen ihren Tacker wieder auspackte, während die Sekretärinnen nur mühsam ihr Gekicher unterdrückten.
    Eliza öffnete ihren neuen Aktenschrank und entdeckte einen kleinen weißen Umschlag. Sie nahm an, der vorangegangene Kabinennutzer habe ihn zurückgelassen. Doch als sie ihn umdrehte, sah sie erstaunt, dass ihr Name darauf stand. Vorsichtig öffnete sie ihn und zog eine glänzende, flügelförmige Anstecknadel heraus. Als sie sich diese direkt vor die Nase hielt, schillerte sie silbern im Licht.
    Sie hatte Engel damit in der Kantine gesehen und sie immer ein bisschen albern gefunden. Warum mussten sie denn so protzig sein? Wären Dienstausweise nicht kosteneffizienter? Trotzdem steckte sie sich die Nadel an. Ihr war bereits aufgefallen, dass Craig ebenfalls eine trug, also gehörten die Dinger wohl zur Firmenpolitik.
    Sie befestigte die Flügel an ihrem Jackenaufschlag und zog sie im Spiegelbild ihres Computerbildschirms gerade. »Eliza Hunter«, stand in goldenen Buchstaben darauf. »Engel: Abteilung für Wunder.«
    Sie streckte den Kopf durch die Kabinentür, um sich zu vergewissern, dass niemand kam. Dann ging sie wieder hinein, schloss die Augen und warf vor Freude beide Arme in die Luft.
    Craig trottete den Gang entlang und hatte Mühe, zwei große Teller mit Kuchen zu balancieren. Jemand hatte Geburtstag – er war nicht sicher, wer –, und er hatte sich die beiden letzten Stücke im Pausenraum gegriffen. Er war nur noch wenige Schritte von seiner Kabine entfernt, als er den Halt verlor und ein Stück auf dem Boden landete. Leise fluchte er vor sich hin, kratzte die Schweinerei vom Teppich und warf den Kuchen in den Müll.
    Craig betrachtete das verbliebene Stück. Ein Eckstück, auf drei Seiten mit Zuckerguss überzogen. Er zögerte einen Augenblick, dann klopfte er an Elizas Tür und reichte es ihr.
    »Hey!«, sagte er. »War nur noch ein Stück übrig!«
    »Wow, danke. Bist du sicher, dass du’s nicht willst?«
    »Ach, nein«, sagte Craig, wenig überzeugend. »Nein, nein.«
    »Wirklich?«
    »Ja«, sagte Craig und hob abwehrend die Hände.
    »Ich bin eigentlich, äh … allergisch gegen Schokolade.«
    Eliza errötete. Während der vergangenen drei Tage hatte sie Craig zwei Bounty und eine Zwölferpackung Oreos verdrücken sehen.
    »Na, danke, Craig.«
    »Klar! Ich meine … gern geschehen.«
    Er trottete wieder in seine Kabine und ließ sich matt auf seinen Stuhl plumpsen. Allergisch gegen Schokolade? Was zum Teufel war das für eine bescheuerte Lüge? Er schüttelte den Kopf, entsetzt über seine eigene Dummheit. Er hätte sagen können, dass er keinen Hunger hatte. Oder dass er ihr den Kuchen gerne überließ.
    Er schaltete seinen Computer ein, wollte die Begebenheit aus seinen Gedanken vertreiben. Die Auszeichnung zum Engel des Monats hatte er bereits zum zweiten Mal so gut wie in der Tasche (sein schärfster Konkurrent lag zweiundzwanzig Wunder im Rückstand). Wenn er sich allerdings ablenken ließ, konnte ihm doch noch jemand in die Quere kommen. Und das wäre unerträglich, wo er bereits so viele Opfer auf sich genommen hatte. Er war an Wochenenden zum Dienst erschienen und hatte sämtliche Mahlzeiten am Schreibtisch eingenommen. Verabredungen und Partys mied er grundsätzlich, weil sie sich nicht mit seinen Überstunden vereinbaren ließen. Allerdings hatte Craig sowieso kaum ein Privatleben, so dass er nur selten in Versuchung geriet, gegen seinen Grundsatz zu verstoßen. Trotzdem war es ein Grundsatz, und darauf war er stolz.
    Er hatte den Erdball auf Potentielle Wunder abgesucht, aber es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Ein Gedanke nagte an ihm, lenkte ihn ab. Schließlich stand er auf und streckte den Kopf zu Eliza hinüber.
    »Es gibt Milch«, sagte er.
    Eliza schrak zusammen. »Was?«
    »Zu deinem Kuchen«, sagte Craig. »Im Kühlschrank im Pausenraum … da steht noch Milch.«
    »Oh«, sagte sie. »Okay.«
    Er entdeckte den Pappteller in ihrem Papierkorb; sie hatte das Stück längst aufgegessen. Wie viel Zeit war verstrichen?
    »Na, danke«, sagte sie. »Dann weiß ich ja jetzt, wo die Milch

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