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In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

Titel: In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burnside
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mich nie ab; sie waren sowieso nur selten da und nutzten die Hytte meist bloß als Basislager, von dem aus sie nach Tromsø und auch weiter nach Norden fuhren oder am späten Vormittag mit Picknickkörben und Käschern zu Exkursionen nach Sommarøy aufbrachen. Sie interessierten mich nicht, ebenso wenig wie die Paare, die kamen und meinten, eine menschenleere Gegend gefunden zu haben, wo sie auf romantische Weise allein sein konnten. Nein, es waren die Einzelgänger, die ich spannend fand, jene, die das einzige Wunder suchten, an das sie glaubten; das Wunder, wenn die Zeit anhält oder sich doch zumindest den Sommer über verlangsamt und den so oft von der Uhr tyrannisierten Lebenden einen flüchtigen Blick auf spürbares Glück gestattet. Ich hatte diese Leute so gern, wie ich in jenen Tagen nur irgendwen gern hatte, und ich wünschte ihnen alles Gute. Das war auch der eigentliche Grund, warum ich ihnen nachspionierte. Ich wollte, dass sie glücklich waren.

***
    Ich fand Kyrre Opdahl im kleinen Schuppen neben der Hytte, wo er Spinnweben und Vogelkacke von den Liegestühlen wischte, die er seinen Gästen bereitstellte, damit sie sich um drei Uhr morgens raussetzen und in der Mitternachtssonne lesen konnte. Was für ein Klischee! Er wusste, dass ich da war, natürlich wusste er das, aber er blickte nicht auf. Tat er nie. Er liebte dieses Spiel, so zu tun, als hätte er nicht bemerkt, dass ich zurück war, weshalb wir beide so tun konnten, als wäre ich nie fort gewesen. Eine sehr subtile Form der Höflichkeit, die allen, die ihn nicht kannten, bestimmt ziemlich seltsam vorkam. » He, he«, sagte ich und sah mich um, ob es für mich noch etwas zu tun gab, aber er war fast fertig.
    Da blickte er auf. » Tag auch«, murmelte er, Streifen von Staub und Spinnweben im Gesicht. » Gutes Timing.«
    » Echt?«
    Er lächelte. » Wollte gerade Pause machen. Kommst eben rechtzeitig, um den Kessel aufzusetzen.«
    Niemand wusste, wie alt Kyrre Opdahl war. Es schien ihn bereits seit Jahrhunderten zu geben, war er doch so fester Bestandteil der Insel, dass er nach Belieben in ihr verschwinden konnte – zumindest kam es mir so vor, als ich noch ein kleines Mädchen und er mein steter Begleiter war, ein Fels, ein bedachtsamer, hoffnungslos höflicher Wiedergänger aus einer anderen Zeit, schon damals alt, das Haar kurz geschnitten, die Augen von einem überraschenden Kohlegrau. Und mein Leben lang war er der Hüter der Geschichten. Manche Leute hielten ihn für einen absurden, abergläubischen Kerl, das traurige Überbleibsel einer Zeit, in der man sich um ein Feuer sammelte, um sich Geschichten von der Huldra zu erzählen, die der Erde oder den Meeresfluten in Gestalt einer unfassbar schönen Frau in einem roten Kleid entstieg, um sich jeden unaufmerksamen Mann zu angeln, der ihres Weges kam. Oder sie ängstigten Kinder mit Geschichten, die beinahe wahr schienen, Geschichten über den Fischer weit draußen auf See, der ein Baby im Netz fand und es an Bord holte, noch lebendig, in den Augen ein dunkles Glimmen, die Stimme so betörend, dass er, obwohl er wusste, wie wenig Gutes ihm diese Kreatur wollte, nicht anders konnte, als es mit heim zu nehmen. Nach einer Weile hörten die Leute auf, sich solche Geschichten zu erzählen, doch lässt sich derlei nicht gänzlich unterdrücken, und gelegentlich, während einer Gesprächspause oder wenn ein Paar schlaflos im Bett liegt, treiben Worte beängstigend weit hinaus in gefährliche Gefilde – eine Andeutung hier, eine halb spaßige Bemerkung dort, und ehe man es sich versieht, ist das Unheil so weit gediehen, dass alles anders wird. Die Augen eines Mannes gehen fremd, die Liebe einer Frau erkaltet, und ein Wort, ein Blick führt zu schrecklicher Gewalt oder dazu, dass man sich verlässt. Natürlich gibt es immer eine Erklärung, eine rationale Erklärung, tiefer aber, in den Nervenbahnen, im Blut, macht ihnen jenes andere Wissen zu schaffen – und Menschen wie Kyrre sind die Hüter dieses Wissens. Sie sind es, die die Türen zu den Geistern entriegeln, an die niemand glaubt; sie sind es, die in den frühen Morgenstunden durchs Haus wandern wie der Schlafwandler in einem alten Vampirfilm, der die Fenster gerade weit genug öffnet, um den Schrecken der Nacht hereinschlüpfen zu lassen.
    Nicht alle Geschichten Kyrres waren alt. Für Menschen seines Schlags gab es keine alte Zeit – alles war gegenwärtig, alles kontinuierlich. Was heute geschah, im hellen Licht des Tages, gehörte einem

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