In jenem Sommer in Spanien
begehrten Junggesellen zum alternden Casanova zu entwickeln. Jetzt war er Anfang dreißig, und das Leben raste nur so voran.
Cristobel wäre genau die Richtige für ihn. Der Stammbaum ihrer Familie war so alt wie seiner und ihr Bankkonto ebenso üppig. Sie kannte seine unausgesprochene Lebensregel: Er würde ihr jeden materiellen Wunsch erfüllen, dafür akzeptierte sie, dass seine Arbeit absoluten Vorrang hatte. Außerdem war sie schön, zierlich und immer nett zurechtgemacht.
„Mit einer Frau hast du beim Shoppen viel mehr Spaß“, meinte Gabriel jetzt und nahm ein Telefonat entgegen. Wieder ganz auf die Arbeit konzentriert, bekam er nur am Rande mit, wie Cristobel von seinem Schreibtisch rutschte, sich den kurzen Rock glatt strich und ihn schmollend ansah. Gerade als sie ihre Handtasche holen wollte, öffnete sich die Tür, und herein kam Gabriels spanisch sprechende Rettung: irgendeine Mitarbeiterin, deren Name man ihm gar nicht mitgeteilt hatte, weil er völlig nebensächlich war. Aber dieses Gesicht …
Einen Augenblick lang war Gabriel sprachlos.
„Alex McGuire“, stellte seine Sekretärin die junge Frau vor. Aber das wäre nicht nötig gewesen, der Name war ihm sofort wieder eingefallen, auch wenn er Alex schon Jahre nicht mehr gesehen hatte. Sie war genauso groß, wie er sie in Erinnerung hatte, und besaß noch immer dieselbe jungenhafte Anmut, mit ihren dunklen, kurzen Haaren und der knabenhaften Figur. Lange Locken, Stilettos, Push-up-BH und roter Lippenstift waren nicht ihr Stil. Wenn er so darüber nachdachte, hatte er sie noch nie besonders gestylt gesehen. Jetzt trug sie ein ordentliches graues Kostüm, wenn auch zu flachen Schuhen, und etwas Make-up.
„Und“, fragte Cristobel auf Spanisch, während sie sich die Lippen nachzog, „ist das etwa die Frau, die mit mir shoppen gehen soll?“
Gabriel hatte sich wieder gefasst. Auf keinen Fall würde er sich jetzt auf irgendwelche Spielchen mit Cristobel einlassen. „Sie spricht spanisch, und ich kann heute einfach keine Zeit erübrigen.“
„Sieh sie dir doch bloß an! Woher soll die denn wissen, wo ich einkaufen will?“
Alex räusperte sich. War sie etwa eine Sache, über die man reden konnte, während sie sich in unmittelbarer Nähe befand?
„Entschuldigung?“, begann sie, ohne den Mann hinter dem Schreibtisch anzusehen. Sie wusste nur, dass sie sein Büro so schnell wie möglich wieder verlassen wollte. Sonst müsste sie sich überlegen, was geschah, wenn dieser Gabriel Cruz tatsächlich ihr Lucio … Aber nein, das wäre nicht auszudenken. Sie rang sich ein Lächeln ab. „Wenn Sie mir sagen, wonach Sie suchen …“
„Ich brauche etwas zum Anziehen“, zischte Cristobel, „ein paar Kleinigkeiten als Gastgeschenke für die Hochzeitsgesellschaft und einige ganz exquisite Teile für die Flitterwochen.“ Cristobel stellte sich hinter Gabriel und legte ihm die Arme um die Schultern. „Und ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Frau in der Lage ist, mir zu helfen. Bisher hat sie kaum ein Wort gesprochen, Darling!“
Als sie ihn auf den Nacken küsste, entzog sich ihr Gabriel höflich, aber bestimmt.
„Gibt es hier denn sonst keinen, der spanisch spricht?“, gurrte Cristobel. „Ich brauche jemanden, der auf meiner Wellenlänge ist. Die da weiß ja nicht einmal, wie man sich anzieht!“
Alex biss die Zähne zusammen. „Entschuldigen Sie bitte, dass ich bisher so wortkarg gewesen bin …“ Zögerlich ließ sie den Blick über Gabriel gleiten. „… aber für einen Moment, Mr Cruz, Sir, haben Sie mich an jemanden erinnert, den ich einmal gut kannte.“ Dann wandte sie sich an Cristobel. „Ich neige dazu, mich alltagstauglich zu kleiden, aber ich weiß, wo die In-Boutiquen sind.“
„Ich suche nicht nach trendiger, sondern nach stilvoller Bekleidung.“
„Wo man die findet, weiß ich auch.“
„Na, wahrscheinlich muss ich mich mit Ihnen zufriedengeben. Mein Mantel hängt im Schrank.“
Widerwillig holte Alex das Kleidungsstück. Dann eilte sie Cristobel hinterher, die herunterratterte, was sie außerdem brauchte. Dabei hörte Alex nur mit halbem Ohr zu. Noch immer war sie ganz gefangen genommen von der plötzlichen Begegnung mit Lucios Doppelgänger, die so viele ungebetene Emotionen und Erinnerungen in ihr wachrief: wie es gewesen war, mit Lucio zu schlafen, zu lachen, zu reden, bis der Morgen graute, um dann noch einmal mit ihm zu schlafen, sodass sie bei ihrem Aushilfsjob in der Hotelküche wie erschlagen
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