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In letzter Sekunde - Child, L: In letzter Sekunde - Echo Burning/ Reacher 05

Titel: In letzter Sekunde - Child, L: In letzter Sekunde - Echo Burning/ Reacher 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Ordnung sorgte und keine Spuren hinterließ. Er steckte die leeren Hülsen in eine Hosentasche.
     
    Carmen war schweigsam, während sie zum Rand der Senke hinaufritten. Dort machte sie wieder Halt. Das rote Haus und seine Nebengebäude lagen im Dunst vor ihr. Sie blickte geistesabwesend auf sie hinab. Sein Wallach kam wie immer etwas hinter ihrem Pferd zum Stehen, sodass Reacher denselben Blick hatte wie sie.
    »Haben Sie jemals Angst?«, fragte sie.
    »Nein«, antwortete er.
    »Aber wieso nicht?«, wollte sie wissen.
    Er sah zum Himmel auf. »Das ist etwas, das ich als kleiner Junge gelernt habe.«
    »Wie?«
    Er sah zu Boden. »Ich hatte einen älteren Bruder, der mir in allem immer voraus war. Aber ich wollte genau das Gleiche tun wie er. Er hatte gruselige Comics, und wo wir amerikanisches Fernsehen empfangen konnten, hat er davor gesessen. Also hab ich mir dieselben Comics angesehen und mit ihm vor dem Fernseher gehockt. Damals gab es eine Serie mit
Weltraumabenteuern. Ihren Namen habe ich vergessen. Die Astronauten hatten ein Raumschiff, das wie ein kleines U-Boot auf Spinnenbeinen aussah. Damit sind sie irgendwo gelandet und zu Erkundungen losgezogen. Ich weiß noch, wie sie eines Abends von einem Ungeheuer verfolgt wurden. Es war behaart wie ein Affe. Lange, behaarte Arme und ein grausiges Gesicht. Es blieb ihnen bis zu ihrem Raumschiff auf den Fersen, und sie konnten gerade noch reinklettern und die Luke zuknallen.«
    »Und Sie hatten Angst?«
    Reacher nickte. »Ich war damals ungefähr fünf und fürchtete mich ganz schrecklich. Ich war davon überzeugt, dass dieses Ungeheuer sich nachts unter meinem Bett verkroch. Es würde herauskommen und sich auf mich stürzen. Ich spürte schon seine Pfoten auf mir. Ich durfte nicht einschlafen, denn dann würde es mich todsicher holen. Also blieb ich wach. Ich rief nach meinem Vater, aber wenn er kam, traute ich mich nicht, ihm davon zu erzählen. So ging es Nacht für Nacht weiter.«
    »Und dann?«
    »Ich bin wütend geworden. Nicht auf mich, weil ich Angst hatte, denn aus meiner Sicht war das Ungeheuer völlig real, und ich hatte allen Grund, mich vor ihm zu fürchten. Nein, ich wurde auf das Monster wütend, weil es mir Angst einjagte. Weil es mich bedrohte. Eines Nachts explodierte ich regelrecht vor Zorn. ›Okay, komm raus, und versuch’s doch!‹, habe ich gebrüllt. ›Trau dich doch! Warte, ich schlag dich grün und blau!‹ Ich hab mich ihm gestellt, meine Angst in Aggression verwandelt.«
    »Und das hat funktioniert?«
    »Seit damals hab ich nie wieder Angst gehabt. Die Raumfahrer hätten nicht flüchten dürfen, Carmen. Sie hätten dem Ungeheuer entgegentreten, mit ihm kämpfen sollen. Begegnet einem etwas Unheimliches, sollte man darauf zugehen, statt
wegzulaufen. Instinktiv, reflexartig, wild zum Kampf entschlossen.«
    »Das tun Sie also?«
    »Immer.«
    »Das sollte also auch ich tun? Wenn Sloop mich wieder bedroht?«
    »Ich finde, das sollte jeder tun.«
    Sie schwieg. Starrte nur auf das rote Haus hinunter und richtete ihren Blick dann auf den Horizont. Als sie leicht mit der Zunge schnalzte, setzten die beiden Pferde sich in Bewegung und suchten sich ihren Weg über das leicht abfallende Gelände zur Straße hinunter. Carmen bewegte sich im Schrittrhythmus ihrer Stute. Reacher ahmte ihre Bewegungen nach und blieb sicher im Sattel. Trotzdem gehörte Reiten nicht zu den Dingen, die er nach seinem ersten Versuch wiederholen würde.
    »Was hat Bobby also gesagt?«, fragte sie. »Über uns?«
    »Sie seien in den letzten Wochen an fast allen Tagen und auch mehrere Nächte lang nicht zu Hause gewesen. Er vermutet, wir hätten etwas miteinander gehabt und uns in dieser Zeit in einem Motel in Pecos vergnügt. Jetzt ist er stinksauer, weil Sie mich mithergebracht haben, obwohl Sloops Heimkehr unmittelbar bevorsteht.«
    »Ich wollte, es wäre so gewesen«, sagte sie. »Dass wir uns in einem Motel vergnügt hätten, meine ich.«
    Er schwieg.
    »Wünschen Sie sich auch, wir wären miteinander im Motel gewesen?«, fragte sie.
    Er betrachtete sie im Sattel. Schlank, geschmeidig, mit eleganten Bewegungen. Die honigbraune Haut ihrer Arme schimmerte in der Sonne, die schwarze Haarpracht reichte ihr halb bis zur Taille.
    »Ich könnte mir Schlimmeres vorstellen«, antwortete er.
Es war schon später Nachmittag, als sie zurückkam. John und Billy warteten auf ihn. Sie lehnten im Schatten des Dachüberhangs an der Stallwand. Ihr Pick-up war auf dem Hof geparkt und zur

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