In Liebe, dein Mörder: Thriller (German Edition)
gut schreibe.«
»Fuck! Er hat dich ausgenutzt. Gott sei Dank hast du einen guten Therapeuten gefunden, der dir klargemacht hat, dass du diesem Dreck den Rücken kehren musst. So geht das doch nicht weiter, Mom. Außerdem riechst du nach Wein.«
Lisa blickte erschrocken auf. Tat sie das? Lieber Himmel, da musste ein starkes Parfüm her.
»Du heulst nächtelang. Du tigerst durch unsere Wohnung wie ein Geist und führst Selbstgespräche. Klar ist das alles hart für dich, aber es ist jetzt zwei lange Jahre her.«
Lisa schauderte es. So war es stets, wenn ihre Tochter über den Verlust sprach. Sachlich und distanziert. Aber Eva hatte Recht. Als wäre der Verlust von Mann und Kind noch nicht genug, wurde sie zu allem Überfluss in diese ekelhafte Mordgeschichte eingebunden. Da kannte ihr Chef vom Dienst keine Gnade. Auch wenn das Seelchen etwas marode war, niemand schrieb besser auf den Punkt als Lisa Armond. Augen zu und durch! Ein guter Therapeut würde es schon richten.
Da waren diese entstellten Leichen, die die Polizei gefunden hatte. Niemand hatte eine Ahnung, wer die grauenvollen Morde verübte. Ein Serienkiller war in Berlin unterwegs. Einer, gegen den Jack the Ripper ein Weichei gewesen war.
Eva knallte ihre Tasse auf den Küchentisch. Lisa fuhr hoch. Das Mädchen zog ein Gesicht. Ihre Augen funkelten. »Na, bist du mal wieder ganz woanders? Mal wieder bei deinen depressiven Gedanken? Hast du mir überhaupt zugehört?«
»Wann fängt die Schule an?«, flüsterte Lisa. In ihrem Schädel hämmerte eine Kompanie Grubentrolle.
»Das weißt du ganz genau!« Eva warf in einer trotzigen Geste die Haare aus dem Gesicht.
Mann tot, Sohn tot!
Thomas war erst vier Jahre alt gewesen. Nach dem Unfall hatte sein Kopf gefehlt. Er wurde hundert Meter entfernt vom Unfallort gefunden. Max hingegen war zwar in den Airbag gerammt worden, aber das hatte nichts mehr genutzt. Der Sicherheitsgurt hatte ihn erdrosselt. Und alles nur, weil sich ein Lkw-Fahrer einen runtergeholt, und als er kam, die Kontrolle über sein Gefährt verloren hatte.
Lisa wollte stark sein, irgendwie alleine in diesem Penthouse über den Dächern von Berlin, in dieser Wohnung, die sie aufsaugte, in der sie sich verlief, die so groß war und so still, dass sie sich darin verlieren wollte. Warum heute noch mal arbeiten? Lieber warten, bis Eva die Kurve gekratzt hatte und den Pizzaservice rufen.
Spar dir die Pizza, Luigi. Bring nur den Chianti!
Lisa stieß den Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Du bist jämmerlich, M ama. Früher warst du eine der schönsten Frauen der Stadt – guck mal in den Spiegel, und du weißt, was ich meine.«
»Geh in die Schule«, murmelte Lisa.
»Ja, ja, klar! Ich hau ja schon ab!« Eva wirbelte herum, packte ihren Ed-Hardy-Rucksack und knallte die Tür hinter sich zu.
Lisa blickte ihr hinterher, und ihre Augen wurden feucht. Liebe Güte, Eva hatte nicht im Auto gesessen. Sie war bei einer Freundin gewesen, vermutlich kiffen und Sido oder Linkin Park hören. Alles besser, als hätte Max sich durchgesetzt und sie mitgenommen. Die Halbwüchsige hatte einen Anfall gekriegt, rumgezetert, sie dürfe niiiiie, niemals tun, was sie wolle, schließlich sei sie schon fast erwachsen, nein, zu so einer doofen Autoshow wolle sie nicht, und außerdem hasse sie, haaaasse sie das Sony-Center wegen der blööööden Touris. Max war kopfschüttelnd und grinsend rausgegangen, den kleinen Thomas im Schlepp. Das hatte Evas Leben gerettet.
Erneut kehrten die verunstalteten Gesichter der Wasserleichen zurück. Das taten sie regelmäßig, nicht nur im Schlaf, nicht nur im Traum, sondern auch bei Lisas alltäglichen Verrichtungen. Sie erschienen vor ihr wie gliederlose Geister. Manchen fehlten die Arme. Anderen die Beine. Weiße Gesichter, dunkelblaue Lippen, die Augen von Aalen gefressen, die Haut aufgedunsen wie ein aufgeblasener Ballon, ein Spaß für Nekrophile, ein Horror für gesunde Menschen. Sie stanken grauenvoll. Wasser zu Wasser. Und eine Höhlung, die durch den After führte, durch den Körper, ohne die inneren Organe zu verletzen und an der Schulter sich öffnete wie ein Loch. Ein Guckloch durch den Körper, dessen Innereien, verdammt noch mal, überwiegend intakt waren.
Max und Thomas – sahen sie auch so schrecklich aus, tief unten in der kalten Erde? Das war krank, echt krank! So sollte sie nicht denken. Lieber doch keine Flasche Wein bestellen. Schließlich hatte sie in zweieinhalb Stunden einen Termin.
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