In Liebe, dein Mörder: Thriller (German Edition)
Flucht.
12
Vincent Padock las den Text und war zufrieden. Zwar fehlte ihm nach wie vor der Eröffnungssatz, doch seine Biografie machte Fortschritte. Für eine halbe Million Vorschuss strengte er sich an, denn das war er Verlag und Lesern schuldig. Zwar würden sie ein phantasievolles Lügengebilde kaufen, aber wer interessierte sich schon für die Wahrheit?
»Das hätte schiefgehen können«, murmelte er vor sich hin und klappte den Laptop zu. »Eine Tür weiter ... und Eva hätte den Pfahl gesehen.«
Er staunte, wie unvorsichtig er gewesen war. Leichtsinnig drückte es vermutlich besser aus. Und unbesonnen. Attribute, die nicht seinem Wesen entsprachen.
Machte Liebe tatsächlich blind?
Er hatte den feisten Lkw-Fahrer aus Liebe getötet, um Lisas Seele Erleichterung zu verschaffen, doch es störte ihn, dass er es Lisa nicht sagen durfte, ihr nicht mitteilen konnte, wer für Gerechtigkeit gesorgt hatte. Tue Gutes und rede drüber, hahaha!
Derzeit verspürte er den unwiderstehlichen Drang, sich ein neues Opfer zu suchen, aber er disziplinierte sich. Seine Intuition schrillte wie eine lärmende Alarmanlage. Das Gesetz des Lebens lehrte, dass ein Fehler den nächsten nach sich zog. Er würde sich eine Weile gedulden müssen. Dringend notwendig war, den Pfahlraum so zu verschließen, dass niemand ihn versehentlich öffnete. Außerdem musste der Teppich gereinigt werden. Er hatte die Blutflecken nicht bemerkt, Eva jedoch sofort. Noch ein Fehler, der ihm unterlaufen war.
War es außerdem ein Fehler gewesen, Lisa und Eva in die Villa zu holen?
Vermutlich, denn schließlich handelte es sich um einen Tatort. Zu viele Dinge konnten ihn entlarven, Dinge, auf die er selbst nicht achtete, weil sie durch sein Wahrnehmungsraster fielen, schließlich lebte er hier und nahm Dinge nicht mehr wahr, die einem Fremden sofort auffallen mussten. Es war die typische Wahrnehmung der Dinge, die einen umgaben. Man hänge ein hässliches Bild an die Wand. Am ersten Tag stört es einen, am zweiten Tag nicht mehr ganz so viel, nach einem Monat nimmt man es nicht mehr wahr. Ein Grund dafür, warum so viele Menschen in unästhetischen Wohnungen lebten, jedoch der Meinung waren, stilvoll zu wohnen.
Die junge Eva war ein neugieriges Ding. Auf eine subtile Weise war sie kalt wie Eis, andererseits eine typische Sechzehnjährige. Er musste kein Menschenkenner sein, um die Traumatisierung des Mädchens festzustellen. Sie litt an einem Schuldgefühl, über das sie nicht hinweg gekommen war, falls sie es überhaupt realisierte. Es hatte zweifellos etwas mit dem Tod ihres Vaters und Bruders zu tun. Außerdem besaß sie eine sexuelle Ausstrahlung, die Vincent verwirrte. Er war sich ihrer brennenden Blicke bewusst, versuchte jedoch, sie zu verdrängen.
Er duschte, rasierte sich und zog seinen Smoking an.
Er war zum Empfang der Filmhochschulen zur diesjährigen Berlinale geladen und würde heute Lisa der Öffentlichkeit präsentieren.
Pünktlich hielt der Maybach vor ihrer Wohnung.
Lisa erwartete ihn schon.
Eva war nirgends zu sehen.
Lisa war nervös. Vincent hatte ihr zuvor durch einen Boten drei Kleider zur Auswahl bringen lassen, und sie hatte sich das schönste davon ausgesucht. Das hatte etwas von Pretty Woman , doch Lisa war eine Frau, die das nicht störte, sondern sie schien es zu genießen. Sie sah zauberhaft aus. Zwar immer noch keine Schönheit, aber eine starke Persönlichkeit, die ihn selbst mit Stärke überstrahlte, und seine Ausstrahlung begünstigte. Sie machte ihn ... erwachsener!
Es gab tausende Fotos, die ihn mit Models zeigten, eine Frau attraktiver als die andere. Filigrane Wesen, Größe 0, mit großen oder kleinen, aber stets festen, zumeist gemachten Brüsten, flachen Bäuchen, schlanken Beinen in High Heels, knackige Hinterteile in zu engen Kleidern, unter denen der Slip fehlte.
Er hatte stets darauf geachtet, seine Eskapaden, Blow Jobs im Fahrstuhl, Partys im Hotelzimmer und ähnliche Dinge, geheim zu halten, was ihm gut gelungen war.
Diese Zeiten waren vorbei.
Was zählte, war Lisa.
»Meinst du, ich kann mich so sehen lassen?«, wollte sie wissen und sah ihn so mitleiderregend hilflos an , dass er sie am liebsten geküsst hätte, was er unterließ, denn sie war tadellos geschminkt.
»Du siehst wunderbar aus«, sagte er.
Der Fahrer riss Lisa die Tür auf, im Auto roch es nach Leder, und der Sekt war gut gekühlt. Es hatte Zeiten gegeben, da hatte Vincent, bevor er den roten Teppich betrat, eine Line
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