In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
noch nicht, ob Lucia wirklich hier war, und wenn ja, dann war der Abt offensichtlich nicht gewillt, sie gehen zu lassen. Es blieb ihm nur, sich zu verbeugen und zu verabschieden.
Doch als er sich eben zum Gehen wandte, hörte man plötzlich, wie von Ferne übers Wasser her schwebend, ein Singen, eine Stimme wie geschmolzenes Silber, hell und klar, deren Lied voller Melancholie und Schmerz sich in den Klostermauern fing, wo es langsam verhallte.
Die drei Männer erstarrten, Zerberus stellte sein Ohr auf, selbst die Gartenvögel hatten aufgehört zu zwitschern. Es schien, als ob die ganze Welt den Atem anhielte, um dieser Stimme zu lauschen.
Als die Melodie verklungen war, sprach Cunrat als Erster wieder.
»Herr Abt, mit Verlaub, das war keine Nachtigall.«
Der Abt ließ sich schwer auf die Bank in der Fensternische zurückfallen, dann sagte er zum Bruder Pförtner: »Sag Hans, er soll hierher kommen!«
Kurze Zeit später betrat ein Mönch das Abtszimmer. Cunrat erkannte ihn wieder, es war der traurige Benediktiner aus der Kirche, der ihm den Weg gewiesen hatte.
»Was wünscht Ihr, Onkel?«, fragte er den Abt.
Auch ohne die vertrauliche Anrede hätte Cunrat vermutet, dass die beiden verwandt waren, so ähnlich waren sich die Gesichter. In 20 Jahren würde Hans so aussehen wie der Abt heute.
Der wandte sich nun an Cunrat und bat ihn, draußen zu warten. Cunrat setzte sich auf eine Bank, die neben der Tür im Korridor stand; offenbar mussten öfters Leute hier auf Einlass warten. Zerberus legte sich auf die kühlen Fliesen aus Terrakotta, in deren jede das Benediktuskreuz eingebrannt war.
Da rief von unten jemand nach dem Bruder Pförtner. Der stieg die Treppe hinab, und Cunrat blieb allein zurück. So störte es niemanden, dass er sein Ohr an die Tür hielt und das Gespräch im Abtszimmer belauschte.
Er hörte, wie der Abt streng fragte: »Hans, wo ist die Frau?«
»Warum?«
»Ich hatte dir gesagt, dass du sie nach Costentz gehen lassen sollst! Sie bringt uns nur Ärger!«
Der andere schwieg eine Weile, dann antwortete er leise: »Ich kann sie nicht gehen lassen.«
»Warum nicht?«
»Weil ich sie liebe!«
»Du bist ein Narr! Liebe! Auch wenn du kein Mönch wärst, ein Mann darf sich nicht zum Narren machen wegen einer Frau!«
Wieder schwieg der andere, sodass der Abt mit drohend gesenkter Stimme fortfuhr: »Der Conte Sassino hat mir schon genug Ärger bereitet, als er sie abholen wollte und nicht vorfand. Zum Glück hatte er es eilig und musste schnell verschwinden. Aber jetzt kommt einer aus Costentz und will sie mitnehmen. Und du wirst sie herausgeben!«
»Wer ist denn der Kerl, dass er sie holen will? Irgendein dahergelaufener Geselle! Warum sollte er größere Rechte an ihr haben als ich?«
»Weil du ein Mönch bist! Und diese Frau ist der Welt gehörig!«
»Was spielt das denn für eine Rolle?«
»Mein lieber Hans, ich bin immer noch der Abt dieses Klosters, auch wenn du der einzige Konventuale bist außer mir. Und es gefällt mir nicht, dass in Costentz die Spielleute Spottlieder auf mich singen wegen dieser Frau! Du wirst sie sofort hierherbringen, damit dieser Kerl sie mitnehmen kann, das befehle ich dir als dein Abt!«
Das erneute Schweigen seines Neffen nahm der Abt offenbar für eine zustimmende Antwort. Cunrat hörte entschlossene Schritte im Zimmer und setzte sich schnell wieder auf die Bank. Die Tür öffnete sich, und der Abt bat ihn hinein.
»Mein Neffe hat die Frau beschützt, als der Welsche sie gegen ihren Willen abholen wollte. Er hat es in bester Absicht getan. Doch nun wird er sie hierherbringen, damit sie Euch zurück nach Costentz begleiten kann.«
Er gab seinem Neffen einen Wink, doch dieser rührte sich nicht. Er biss nur die Zähne zusammen und starrte zu Boden.
Da versuchte Cunrat, ihn zu überzeugen: »Herr, diese Frau ist einem Mann in Costentz versprochen, meinem Freund Hans Roth. Ich bitte Euch, lasst sie mit mir gehen! Sie kann nur mit ihm glücklich werden. Habt Ihr nicht gehört, wie traurig sie gesungen hat?«
»Wenn sie mich nur ein wenig näher kennenlernt, wird sie mich lieben!«, presste der Mönch zwischen den Lippen hervor.
Cunrat überlegte fieberhaft. Er war so kurz vor dem Ziel! Der Abt war bereit, Lucia herauszugeben, nur sein Neffe war so liebesverstockt, dass er sie weiterhin für sich behalten wollte. Nicht dass Cunrat ihn in seinem Kummer nicht verstanden hätte, aber Lucia liebte Giovanni, und diesen fetten Kerl würde sie in 100 Jahren
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