In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
angezeigte Tor. Dahinter fiel die Straße wieder hinab zum See Richtung Norden, wo man auf der anderen Seite des Wassers den Kirchturm des Städtchens Allenspach sah. Links lagen Felder, rechts verlief die Mauer des Klosterbezirks. Ein großes Tor führte auf den Vorplatz des Münsters, das sowohl der Muttergottes wie dem Heiligen Markus geweiht war. Ein breiter Westturm, dessen Fassade mit Bändern aus rotem Stein und kleinen Rundbögen geschmückt war, begrüßte den Besucher.
Bevor er den Abt aufsuchte, wollte Cunrat dem Heiligen seine Aufwartung machen, und er betrat durch eine der beiden seitlichen Eingangshallen neben dem Turm den angenehm kühlen Kirchenraum. Auch im Inneren hatten die Bauherren verschiedenfarbige Steine zur Verzierung der Bögen verwendet, was dem Raum ein freundliches Gepräge gab. Cunrat sah, dass es im Grunde zwei Kirchenräume waren, ein großer nach Osten zu und ein zwar ebenso hoher, aber viel kürzerer im Westen. Die Vierung und die Säulen der östlichen Kirche waren mit vielen Malereien geschmückt. Den Altarraum konnte er wegen der Chorschranke nicht sehen. Besonders staunenswert fand der Bäcker jedoch die Holzdecke, die ihm vorkam wie der umgekehrte Bauch einer riesigen Lädine.
Als er sich nach Westen wandte, gewahrte Cunrat den wertvollen Schrein, in dem die Gebeine des Heiligen Markus verwahrt wurden. Durch ein großes Fenster im Turm fiel himmlisches Licht auf die golden schimmernden Bilder, die von dem Wunder erzählten, mit dem der Heilige Valens sich als Markus offenbart hatte. Andächtig sank Cunrat auf die Knie und flehte den Heiligen im Gebet an, ihm beizustehen, damit er Giovanni seine geliebte Lucia zurückbringen konnte. Zerberus setzte sich brav neben ihn und betrachtete den Schrein fast ebenso andächtig wie sein Herr. Vielleicht stieg ihm der Geruch der jahrhundertealten Gebeine in die Nase.
Nach kurzem Gebet stand Cunrat wieder auf und überlegte, wie er jetzt wohl am besten zum Abtshaus käme. Da sah er in der Vierung vor einer Statue der Gottesmutter, die Cunrat an diejenige in der St.-Johann-Kirche zu Costentz erinnerte, einen Mönch knien. Er näherte sich ihm leise und wartete, bis der Mann sein Gebet beendet hatte.
Als er sich umwandte, grüßte Cunrat ihn freundlich.
Der Mönch erschrak, offenbar hatte er den Besucher gar nicht bemerkt, so versunken war er in seine Zwiesprache mit dem Marienbild gewesen. Er war mittleren Alters und recht fett. Die blonden Haare um seine Tonsur fielen ihm weich auf die Schultern. Sein fleischiger Mund konnte sich nicht zu einem Lächeln entschließen, auch seine Augen blickten traurig aus ihren Fettpolstern.
»Könnt Ihr mir vielleicht sagen, wie ich zum Abtshaus komme?«
»Ihr müsst wieder durch den Haupteingang hinausgehen, dann haltet Euch rechts, geht zwischen den alten Gebäuden hindurch, dann seht Ihr ein Haus stehen, das über einen Gang mit der Kirche verbunden ist«, antwortete der Benediktiner mit unerwartet hoher Stimme. »Das ist das Abtshaus.«
Cunrat dankte für die Auskunft und verließ die Kirche. Nördlich davon standen in der Tat Gebäude verschiedener Größe. Sie hatten alle eins gemeinsam: ihren Zerfall. Der Putz blätterte ab, die Fensterläden hingen schief an ihren verrosteten Angeln, teilweise fehlten die Türen. An einem war das Dach eingestürzt, und ein großer Holunderbusch wuchs heraus. Früher hatten hier sicher Mönche gewohnt oder waren zur Schule gegangen oder im Hospital versorgt worden. Jetzt lebten in den alten Mauern nur noch Eidechsen und Ratten.
Cunrat erkannte das Abtshaus sofort, es war das einzige, das noch nicht verfallen war.
»Ich bin ein Diener des Herrn Poggio Bracciolini und habe eine Nachricht für euren Abt!«, erklärte er dem Bruder, der ihn an der Pforte des Abtshauses nach seinem Begehr fragte.
»Potscho wer? Wer soll das sein?«, fragte der Pförtner missmutig. Er war sehr alt und hatte kaum noch Zähne, aber er schien durchaus nicht gewillt, jeden zu seinem Herrn vorzulassen, schon gar nicht einen staubigen Gesellen wie Cunrat. Dieser bereute einen Augenblick, dass er nicht sein Festtagsgewand angezogen hatte.
Doch nun zog er seinen Trumpf aus der Tasche: ein Pergament, das er heimlich aus der Ledermappe mit den Dokumenten des Conte genommen hatte. Giovanni hatte die Mappe nach ihrer Rückkehr wütend in die Truhe geworfen, und da er immer noch schlief, als Cunrat vor seiner Fahrt noch einmal in die Hütte gekommen war, hatte er in aller Ruhe das Schreiben
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