In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
an das hölzerne Boot zu klammern, das kieloben auf dem Wasser trieb, aber er fand keinen Halt und rutschte immer wieder ab. Lucia hingegen schlug wie wild um sich und schrie in Panik.
Auch Cunrat konnte nicht schwimmen, aber er merkte, dass der See auf dieser Seite der Insel nicht so tief war. Also stürzte er sich hinein und watete auf das Boot zu. Das Wasser reichte ihm zunächst bis an die Knie und behinderte ihn in seinem Lauf, dann stieg es bis zur Hüfte, dann bis zum Bauch und zur Brust. Nun konnte er sich nur noch mithilfe seiner langen Arme vorwärts bewegen. Er sah, dass Lucias panisches Umsichschlagen nachließ, ein paarmal tauchte ihr Kopf noch aus dem See auf, um aber gleich wieder unterzugehen. Cunrat bekam nun selber langsam Angst, denn das nasse Element berührte schon seinen Hals, und es waren noch einige Meter bis zu der Frau. Da sah er einen Ast vor sich im Wasser liegen. Er packte ihn und schob ihn Lucia hin. Als sie die Berührung spürte, griff sie verzweifelt nach dem glitschigen Holz. Cunrat gelang es, sie zu sich heranzuziehen und ihren Körper zu umfassen, doch sie krallte sich panisch in seinen Haaren fest und drückte ihn dabei unter Wasser. Ihm blieb nichts anderes übrig, als die Luft anzuhalten, sich umzudrehen und mit Lucia Richtung Ufer zu gehen. Nach Luft schnappend gelangte er schließlich in flachere Zonen, und als der See nur noch seine Knie bedeckte, lockerte Lucia endlich ihren Klammergriff, er nahm sie auf die Arme und trug sie an den rettenden Strand. Dort legte er sie vorsichtig auf die Wiese. Sie hatte die Augen geschlossen, ihre prächtigen schwarzen Haare klebten um ihr Gesicht, der nasse Rock war über die Knie hochgerutscht. Sie röchelte. Bruder Severin wusste jedoch, was zu tun war. Während Cunrat völlig erschöpft ins Gras sank, drückte der alte Mann mit geübten Händen auf Lucias Bauch, so lang, bis sie plötzlich Wasser spuckte. Sie prustete und hustete, blieb noch ein wenig liegen, dann schlug sie endlich die Augen auf und sah um sich.
»Giovanni?«
Cunrat schnaufte immer noch heftig.
»Der … wartet … auf dich.«
Nachdem er Lucia wieder ins Leben geholt hatte, ging Bruder Severin zum Ufer, um nach Hans von Fürstenberg Ausschau zu halten. Doch dieser war endgültig vom See verschluckt worden. Cunrat hatte sich getäuscht, er würde nie so aussehen wie der Abt. Erst Wochen später zogen Fischer ein Netz aus dem Wasser, das besonders schwer war, worauf Pater Hans doch noch in geweihter Erde bestattet werden konnte und nicht gänzlich den Fischen zum Fraß diente.
*
Verkatert saß Giovanni auf seinem dreibeinigen Hocker und beobachtete den Brotverkauf. Seine venezianischen Kollegen hatten heute gebacken, er selbst war erst lange nach Mittag zum Bäckerstand gekommen, und nun war er vor allem damit beschäftigt, aufrecht zu sitzen und seinen schmerzenden Kopf mit einem nassen Lappen zu kühlen. Cunrat war verschwunden; er hatte niemandem gesagt, wohin er ging. Es kümmerte Giovanni in seinem Zustand auch nicht, was sein Freund zu erledigen hatte, er hatte genug mit sich selber zu tun.
Als er schließlich den blonden Kopf über der Menschenmenge auftauchen sah, nahm er es mit Gleichmut hin, und sogar, als Cunrat direkt vor ihm stand und ihn ansprach, rührte er sich nicht.
»Schau Giovanni, wen ich dir mitgebracht habe!«
Neben Cunrat tauchte eine Person auf, die in einen schwarzen Mönchsumhang gehüllt war. Langsam zog sie ihre Kapuze ab.
Da fiel Giovanni rücklings von seinem Hocker.
Erntemond
Poggio Bracciolini an Niccolò Niccoli, am 25. August, dem Tag des Heiligen Ludovico, im Jahre des Herrn 1415
Mein lieber Niccolò! Verzeih, dass ich Dir lange nicht geschrieben habe. Mein letzter Brief wurde unterbrochen und ich kann ihn erst heute weiterführen. Nun sollst Du auch erfahren, weshalb.
Der König hat am 18. Juli Costentz verlassen, wie Du zu Beginn des Briefes erfahren hast, und daher hält es auch etliche der Konzilsteilnehmer nicht mehr in den engen Mauern der kleinen Stadt. Vor allem für uns Schreiber und Sekretäre ist gegenwärtig nicht mehr viel zu tun, und so hatten sich einige meiner Freunde entschieden, für eine Zeitlang der Konzilsstadt den Rücken zu kehren und zum Thermen in ein Bad zu fahren, das sich sinnigerweise Baden nennt. Es liegt etwa drei Tagereisen von hier nach Südwesten. Dafür fährt man zunächst ein ganzes Stück den Rhein hinab, danach einen Fluss namens Aare hinauf.
Nun hatten meine Freunde schon
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