In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
heraussuchen können, auf dessen Siegel der Schenkel des Papstes abgebildet war.
»Der Herr Bracciolini ist einer der wichtigsten Herren an der Kurie des Papstes!«, antwortete er dem Pförtner nun mit fester Stimme. »Dieses Dokument hat er mir mitgegeben.«
Unbeeindruckt erwiderte der alte Mann: »Soviel ich weiß, sitzt der Papst im Kerker, bis vor Kurzem sogar noch direkt am anderen Seeufer, in Gottlieben.«
Cunrat überlegte einen Moment.
»Ja, der eine, aber es gibt ja noch andere!«
Etwas verunsichert sah der Pförtner nun das Schreiben an und drehte es hin und her. Offenbar konnte er so wenig lesen wie Cunrat, vielleicht hatte er auch nur aufgrund seines Alters Mühe mit dem Sehen.
»Seht Ihr hier diesen Schenkel?« Cunrat wies auf das angehängte Wappen. »Das ist das Wappen des Papstes!«
Der Mann zögerte noch einen Augenblick, dann sagte er endlich: »Also gut, warte hier, ich werde dem Herrn Abt sagen, dass du ihn sprechen willst.«
Mit dem Geleitbrief in der Hand ging er für sein Alter erstaunlich behände die Treppe hoch in das obere Geschoss des Abtshauses. Cunrat lächelte und tätschelte Zerberus den Kopf.
Poggio hatte recht gehabt, diese Dokumente öffneten alle Türen.
»Euch schickt also ein Sekretär des ehemaligen Papstes«, empfing ihn Abt Friedrich von Zollern in seiner Stube im ersten Geschoss des Abtshauses.
Es war ein großer, freundlicher Raum. Ein dicker Holzpfeiler stützte die hölzerne Decke, die mit farbig gefassten Schnitzereien verziert war. Cunrat erkannte verschiedene Heilige, darunter seinen eigenen Namenspatron mit Kelch und Spinne.
Der Abt saß in einer Nische am offenen Fenster, das auf einen Garten ging. Vögel zwitscherten herein. Er trug das schwarze Benediktinerhabit mit weiten Ärmeln, sein bleiches Doppelkinn ruhte auf dem Kragen des Ordenskleides. Die Ohren flankierten sein rundes Gesicht wie zwei Henkel einen Topf, und um seine Tonsur waren nur noch ein paar spärliche graue Haare zu sehen. Das Schreiben mit dem Papstwappen hielt er in der Hand.
»Herr Poggio Bracciolini schickt mich«, bestätigte Cunrat.
Mit unsicherem Blick taxierte der Abt den Geleitbrief, um den Namen zu entdecken, seine Augen flogen unstet vom Anfang zum Ende, ohne irgendwo zu verweilen, und plötzlich verstand Cunrat: Auch er konnte nicht lesen, jedenfalls nicht Latein. Das bedeutete, dass er gewiss auch nicht begriffen hatte, für wen dieser Geleitbrief eigentlich ausgestellt worden war, nämlich für den Grafen Alessandro Sassino und nicht für den Bäcker Cunrat Wolgemut. Umso besser, dachte Cunrat, obwohl es im Grunde keine große Rolle mehr spielte, wichtig war, dass er überhaupt zum Abt vorgelassen worden war.
»Und was will dieser Herr Branciolini von mir?«
»Ehrwürdiger Abt«, begann Cunrat feierlich und verneigte sich, »es wird erzählt, dass sich in den Mauern dieses Klosters eine Frau befindet, die sehr schön singen kann. Ich glaube, dass sie die Braut meines Freundes Hans Roth ist, die entführt wurde. Ich bitte Euch, wenn sie hier ist, übt Barmherzigkeit und lasst sie mit mir gehen!«
Die eben noch aufmerksam gespannte Miene des Abtes verdüsterte sich mit einem Schlag.
»Was redest du da? Eine Frau? Was interessiert den Sekretär des Papstes eine Frau? Wir sind ein Kloster, ein Ort des Herrn! Hier befindet sich keine Frau!«
»Sie sollte ja auch nur für kurze Zeit hier sein und dann wieder abgeholt werden. Aber es heißt, der Mann, der sie holen wollte, der Conte Sassino, sei ohne sie fortgefahren.«
»Conte Sassino …?« Beim Klang dieses Namens erschienen auf der Stirn des Abtes kleine Schweißperlen, er lockerte mit zwei Fingern den Kragen entlang seines Kinns. »Der Name sagt mir gar nichts. Ich weiß nichts von einer Frau. Und jetzt geh!«
»Aber verschiedene Leute haben sie singen hören.«
»Mein Neffe hält sich eine Nachtigall, wahrscheinlich haben die Leute das Vögelchen gehört!«
»In Costentz singen die Spielleute aber Lieder über Euch und diese Frau.«
»Über mich? Und diese Frau?«
Der Abt sprang auf, und seine Henkelohren wurden krebsrot.
»Was immer diese Schwachsinnigen sich ausgedacht haben, ich sage Euch noch einmal, hier gibt es keine Frau! Und jetzt verschwindet! Bruder Severin!«
Der Bruder Pförtner erschien in der Tür.
»Begleite diesen Boten des Herrn Wieauchimmer hinaus!« Mit harscher Geste zeigte der Abt auf die Tür.
Cunrat war enttäuscht. Seine Fahrt zur Richenow war vergeblich gewesen. Er wusste immer
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