In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
nicht lieben, wahrscheinlich je weniger, je besser sie ihn kannte. Da fiel ihm etwas ein.
»Herr, wisst Ihr denn, dass sie eine entlaufene Hure ist? Ihr Hurenwirt hat beim Vogt in Costentz Anklage erhoben. Wenn er erfährt, dass die Frau hier im Kloster versteckt wird …«
»Hast du gehört, Hans? Eine Hure!« Die Ohren des Abtes wurden feuerrot, und er begann zu schreien. »Du wirst jetzt sofort losgehen und sie holen! Ich habe keine Lust, zu erleben, dass die Costentzer noch einmal eine Strafaktion hierher unternehmen, und unser Kloster dann in Ruinen liegt wie Schopflen!«
Mit drohend erhobenem Arm ging er auf seinen Neffen los, worauf dieser sich endlich aufmachte, Lucia zu holen.
»Wie du willst, Onkel.«
Während sie warteten, ging der Abt unruhig im Zimmer auf und ab. Es war ihm sichtlich peinlich, dass der Jüngere seine Autorität vor diesem Fremden infrage gestellt hatte und dass Cunrat den Eindruck hatte gewinnen müssen, er sei nicht Herr im eigenen Hause.
»Dieses Kloster ist riesig, müsst Ihr wissen. Früher haben hier Dutzende von Mönchen gelebt und viele Konversen und noch mehr Bauern. Heute bewohnen wir nur noch einen winzigen Teil all der Räumlichkeiten, und vieles steht leer. Jetzt während des Konzils haben wir zwar ein paar Kammern vermieten können, aber wir sind zu weit weg von Costentz, das geht nicht an, jeden Tag mit dem Schiff den Rhein hochzufahren, das ist den hohen Herren zu unbequem. Nicht einmal die Pferde bringen sie zu uns, denn es sei zu beschwerlich, sie jedes Mal aufs Schiff zu laden, wenn man sie braucht. So viele Zellen und Lagerräume und Ställe und Weinkeller und sonstige Gebäude! Da war es nicht schwer für Hans, die Frau zu verstecken. Ihr müsst ihm verzeihen, er hat immer im Kloster gelebt, seit er ein Junge von neun Jahren war, und diese Frau ist die erste Frau, die er gesehen hat, außer den alten Mägden und derben Bäuerinnen, die man sonst hier zu Gesicht bekommt. Der Teufel hat ihm ins Ohr geflüstert, dass seine Begierde Liebe sei, und mit ihrem Gesang hat diese Hure die kleine Flamme seiner Zuneigung zu einem wahren Johannisfeuer angefacht, auch wenn es wohl nur ein Strohfeuer sein dürfte.«
Cunrat antwortete nichts, er fragte sich nur, wie lang es wohl noch dauern würde, bis der Mönch mit Lucia zurückkam. Die Schritte des Abtes wurden immer nervöser.
»Das ist doch nicht möglich! Wo bleibt er denn? Er müsste längst wieder hier sein! So groß ist das Kloster nun auch wieder nicht. Man könnte meinen, er hätte sie bei St. Peter und Paul versteckt!«
Schließlich riss er die Tür auf und rief nach dem Bruder Pförtner. Als dieser kam, wies er ihn an, nach seinem Neffen zu suchen und ihn und die Frau auf der Stelle ins Abtshaus zu bringen.
Es dauerte eine Weile, bis Bruder Severin unverrichteter Dinge zurückkam. Ratlos breitete er seine Arme aus.
»Ich kann ihn nirgends finden, Herr Abt! Nicht in der Kirche, nicht in seiner Wohnung, nicht in der Küche, auch nicht im Keller oder im Torkel – nirgends! Er ist verschwunden!«
»Dieser Lotter! Dieser Fatzmann!« Dem Abt lief der Schweiß in Strömen über das Gesicht. »Er ist mit ihr fortgegangen! Aber wohin? Ich werde nicht noch einmal zulassen, dass er sich meinen Befehlen widersetzt! In den tiefsten Kerker werde ich ihn verbannen!«
»Dafür müsst Ihr ihn aber erst einmal haben, Herr«, wagte Cunrat einzuwenden, »lasst mich suchen, mit meinem Hund! Der kann so etwas!«
»Was? Dieser Bastard?«
»Lasst es mich versuchen, Herr!«
Der Abt überlegte einen Augenblick, ob er diesem dahergelaufenen Kerl wirklich erlauben sollte, die Klostergebäude nach seinem Neffen zu durchsuchen, andererseits wusste er nicht, was er sonst hätte tun können, außer selber nach ihm zu forschen. Und das schien ihm zu viel Anstrengung angesichts der Tatsache, dass ihn das Schicksal dieser Frau eigentlich nicht im Geringsten interessierte, sondern nur sein eigenes.
»Also gut, versucht euer Glück!«
Damit winkte er Cunrat und Bruder Severin hinaus, bevor er schweißgebadet auf seinen Platz am Fenster niedersank.
»Bringt mich zu seiner Zelle!«, befahl Cunrat seinem Begleiter.
»Ha, Zelle! Ihr glaubt doch nicht, dass Hans von Fürstenberg in einer Zelle leben würde!«, erwiderte der Pförtner und führte Cunrat zu einem Haus, das direkt an die Nordwand der Kirche angebaut war.
»Das war früher die Wohnung des Schulvorstehers, aber diese Zeit ist lang vorbei. Keine Novizen, keine Schule, kein
Weitere Kostenlose Bücher