In Schinkenbüttel ist der Affe los!
Angst, die er in dem Aufzug gehabt hatte, mochte er kein zweites Mal durchleben. Also glitt er vorsichtig in die Küche hinein und tastete sich an dem Tisch vorbei auf das Fenster zu. Da rutschte er auf einer glitschigen Masse aus und fiel hin. Obwohl er sich eigentlich dabei hätte verletzen oder zumindest weh tun müssen, geschah ihm nichts, denn er setzte sich mit dem Hintern in einen weichen Brei, der nach allen Seiten auseinanderspritzte und den Sturz milderte. Als er an seinen Händen roch, mit denen er sich abgestützt hatte, merkte er, daß er in einer Torte saß.
„So eine Schweinerei!“ schimpfte er leise. „Mit dieser klebrigen Hose kann ich doch nicht nach Hause gehen!“ Wütend rappelte er sich auf und tastete sich weiter. Dabei stieß er mehrfach mit den Füßen gegen Flaschen oder Flaschenscherben.
Gerade wollte er das Fenster öffnen, da hörte er aus dem Schrank ein feines Pfeifen und Schmatzen, das ihm sehr bekannt vorkam.
Filip? dachte er. Sollte der hier in der Küche stecken?
Er horchte. Aber nun blieb alles ruhig. Um sich zu vergewissern, ging er zum Schrank zurück und öffnete die Tür. Ein tastender Griff, das Klirren einer im Wege stehenden Teekanne, und dann lag der Ausreißer in seinem Arm. „Filip“, flüsterte Markus zärtlich. „Was machst du denn bloß für Sachen! Komm, wir müssen schnellstens hier verschwinden, sonst geht es uns beiden an den Kragen!“
Über den rutschigen und mit Scherben gepflasterten Fußboden tappte er vorsichtig zum Fenster, öffnete es lautlos und war mit einem Sprung im Garten. Der Affe grunzte müde, gähnte laut und schmiegte sich eng an seinen Herrn. Er hatte einen Rausch und nicht die geringste Lust, aufzuwachen.
Markus streichelte ihn glücklich.
„Was hast du bloß alles angestellt!“ sagte er leise. „Tante Steffi glaubt, ein Dieb sei bei uns eingestiegen. Wenn ich mich nicht bald zu Hause melde, ruft sie noch bei der Polizei an, und dann gute Nacht, Mariechen!“
Vorsichtig bahnte er sich einen Weg durch die Rhododendronbüsche, in die er gesprungen war, und lief sodann gebückt über den Rasen. Eben wollte er im Schutze der Azaleen den Zaun überklettern, da hörte er seinen Namen rufen. Er schrak zusammen und duckte sich.
Wer um Himmels willen hatte ihn hier entdeckt?
Als er den Ruf ein zweites Mal hörte, erkannte er Tante Steffis Stimme und merkte an ihrem Verhalten, daß sie ihn nicht gesehen hatte. Natürlich hätte er sich ihr nun gern zu erkennen gegeben, damit sie sich beruhigte, aber mit dem Affen im Arm?
Auf keinen Fall!
Wenn Tante Steffi erfuhr, daß er ein solches Tier im Hause hatte, würde sie fluchtartig nach Hüttenhagen zurückfahren und ihn allein lassen. Und dann müßten seine Eltern ihren Italienurlaub vorzeitig abbrechen. Nein, so leid es ihm tat, er mußte seine Tante weitersuchen lassen und durfte sich nicht verraten. Ja er mußte sogar froh darüber sein, daß sie unterwegs war, denn nur in ihrer Abwesenheit konnte er unbemerkt ins Haus schleichen und den Affen wieder in den Kaninchenstall sperren. Also ließ er die arme Tante Vorbeigehen, ohne sich zu melden.
Kaum war sie indes außer Hörweite, da kletterte er über den Zaun und lief, so schnell er konnte, in die Brunnenstraße. Dabei wunderte er sich über die Leute, die überall in Gruppen herumstanden und miteinander redeten. War denn irgend etwas passiert in der Stadt?
Na, das könnte er ja morgen im „Schinkenbütteler Tageblatt“ nachlesen.
Waldemar Treberlan, der Chefredakteur des „Schinkenbütteler Tageblattes“, hatte noch rechtzeitig den Einfall gehabt, das acht Seiten starke Extrablatt für eine Auslieferung mit der Morgenausgabe zusammen vorzubereiten. So könnten die friedliebenden Bürger schon beim Morgenkaffee von den blutigen Vorfällen der vergangenen Nacht lesen und würden nicht umhin können, der Zeitung ein großes Lob auszusprechen für die schnelle Information.
Er stand neben den ratternden Rotationsmaschinen, sah dem Ausstoß der Zeitungen zu und war zufrieden. Zufrieden mit sich und der Welt, und ganz besonders mit den Verbrechern, die freundlicherweise dafür gesorgt hatten, daß er einige Wochen lang genug Stoff zum Schreiben hatte. Sebastian Fliegenschmidt war auch zufrieden: die Aktion Schneeball lief vorzüglich ab. Er konnte jetzt ins Bett gehen, sich von den Anstrengungen der letzten Stunden erholen und morgen früh gut ausgeruht die ersten Verhaftungen vornehmen.
Ohne Eile schlüpfte er in
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