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In Schinkenbüttel ist der Affe los!

In Schinkenbüttel ist der Affe los!

Titel: In Schinkenbüttel ist der Affe los! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
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seinen Schlafanzug, stellte sich in ganzer Größe vor den Spiegel und betrachtete sich wohlgefällig.
    „Sebastian Fliegenschmidt“, sagte er, „in wenigen Stunden wird ganz Schinkenbüttel von dir sprechen und in einigen Tagen die ganze Welt.“
    Dann kroch er unter die Decke und schlief den tiefen Schlaf der Erfolgreichen.
    Auch Markus schlief inzwischen, und bestimmt nicht weniger tief, denn auch er gehörte zu den Erfolgreichen, hatte er doch nach einer abenteuerlichen und gefährlichen Jagd seinen Affen wieder eingefangen und in den Kaninchenstall zurückgebracht. Er schlief so tief, daß er nicht hörte, wie die verzweifelte Tante Steffi laut weinend die Treppe heraufkam, daß er nicht erwachte, als sie bei seinem Anblick einen sieben Meter langen Freudenschrei ausstieß und ihn überglücklich an ihr Herz riß. Er bemerkte auch nichts davon, daß sie Matratzen und Bettzeug in sein Zimmer schleppte und sich auf dem Fußboden schlafen legte, um ihn vor weiteren Räubern und Mördern besser beschützen zu können. Er schlief und schlief, traumlos und tief. Seine treue Tante horchte mit verklärtem Gesicht auf seine ruhigen Atemzüge und schlief bald ebenfalls so selig und heiter wie schon lange nicht mehr.
    Und damit wäre die Geschichte eigentlich zu Ende, denn alle, die in dieser Nacht unterwegs gewesen waren, hatten in ihre Häuser zurückgefunden und ruhten. Auch die Bürger, die durch die Aktion Schneeball aus den Betten getrieben worden waren, auch der Milchmann mit der zerbrochenen Schaufensterscheibe, ja sogar die Hotelgäste im Goldenen Bären, wenngleich sie auf Notbetten in der Halle lagen. Selbst der Redakteur Waldemar Treberlan schlummerte nach seiner nächtlichen Artikelschreiberei süß lächelnd wie ein Säugling.
    Aber obwohl nun alles friedlich blieb, die Nacht alt und grau wurde, ohne daß Scheiben klirrten und Schüsse durch die Straßen peitschten, konnte der nächste Tag nicht da fortfahren, wo sein Vorgänger aufgehört hatte.
    Es war nämlich etwas in Gang gesetzt worden, und das nahm seinen Lauf.
    Als am Morgen die Sonne aufging und die grundanständigen und ehrlichen Bürger Schinkenbüttels die Zeitung aus dem Briefkasten oder von der Türklinke hereinholten, wurden sie mit Schrecken daran erinnert, daß in ihrer friedliebenden Stadt fürchterliche Greueltaten geschehen waren, die nach Sühne und Aufklärung verlangten, und daß sie alle mithelfen mußten, der Gerechtigkeit zum Siege zu verhelfen. Darum hielten sich die meisten nicht lange mit dem Frühstück auf, sondern liefen hinaus auf die Straße, um, mit Wäscheleinen und Kälberstricken unter Jacke und Schürze, den Verbrecher zu fangen, auf den die Personenbeschreibung der Aktion Schneeball zutraf. Die hatten sie noch in allerbester Erinnerung. Allerdings jeder etwas anders.
    Bald kam es zu wüsten Handgreiflichkeiten in allen Straßen der Stadt, denn sehr viele Menschen sahen dem so genau beschriebenen Unhold wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich.
    Auf dem Bürgermeisteramt gab es einen größeren Wirbel als auf dem letzten Schützenfest. Die große Haustür stand weit offen. In allen Räumen liefen aufgebrachte Männer und Frauen tobend und randalierend hintereinander her und voreinander weg. Sie beschimpften sich, traten sich mit Füßen und schlugen sich mit Fäusten.
    In seinem Amtszimmer war der Bürgermeister im Nachthemd an seinen Lehnstuhl gefesselt, hatte einen Knebel im Mund und strahlte mit vor Freude feuchten Augen die Menschen an, die ihn knufften und zwickten und einzelne Haare ausrissen. Ihm gegenüber auf der anderen Seite des Schreibtisches saß seine Frau. Auch sie im Nachthemd, gefesselt und geknebelt, auch sie mit vor Glück feuchten Augen. Die beiden glaubten nämlich, daß das Ganze als besondere Überraschung zum sechzigsten Geburtstag des Bürgermeisters gedacht war, und wollten keine Spielverderber sein. Sie wünschten sich zwar manchmal, die Knüffe und Tritte möchten etwas zärtlicher ausgeteilt werden, ertrugen aber dennoch alles mit dem Gleichmut wichtiger Persönlichkeiten, denen das Volk Gutes tun will.
    Mit Ergötzen sahen sie, daß auch andere Bürger der Stadt Fesseln trugen und gepiesackt wurden.
    So einen Trubel, dessen waren sie sicher, hatte Schinkenbüttel bisher noch nicht erlebt. Der würde in die Geschichte der Stadt eingehen und noch Kinder und Kindeskinder erfreuen.
    In der Schützenhalle spielte sich ähnliches ab.
    Auch dort gab es Prügeleien und Beschimpfungen. Auch dort

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