In Schinkenbüttel ist der Affe los!
Steffi. „Der beleidigt und kränkt niemanden. Er ist der rücksichtsvollste und bescheidenste Mensch, den man sich denken kann.“
„Und wie steht es mit der Mutter des Jungen?“ fragte Sebastian. „Klatscht sie gern mit den Nachbarinnen über andere Leute? Hat sie oft Streit mit dem Bäckerjungen oder mit dem Briefträger?“
Tante Steffi unterbrach ihr Schluchzen für einen Augenblick und dachte nach. Natürlich zankte ihre Schwägerin mit den Nachbarinnen! Und wie! Über jede Kleinigkeit regte sie sich auf und zeterte herum. Kein Zweifel, sie war schuld an Markus’ Tod! Das kommt davon! Tante Steffi hatte ja immer so eine Ahnung gehabt, daß es kein gutes Ende nehmen würde. Sie begann wieder zu schluchzen. Mit tränenden Augen blickte sie Sebastian Fliegenschmidt an und nickte. „Ja“, sagte sie leise, „Markus’ Mutter hat viele Feinde. O Gott, o Gott, und darum mußte der arme Junge sterben!“ Der Detektiv blieb sachlich.
„Erfreulich“, sagte er, „sehr erfreulich. Nennen Sie sie bei Namen, mit größter Wahrscheinlichkeit ist der Mörder einer von ihnen.“
Während Detektiv Fliegenschmidt diese kühne Behauptung aufstellte, stieg der „Mörder“ gerade im Gasthof Zum Goldenen Bären ab. Er ging aber nicht durch die Haustür, meldete sich auch nicht beim Empfang, wo zu so später Stunde sowieso niemand mehr auf Gäste wartete, sondern kletterte an der Regenrinne hoch und schlüpfte durch das offenstehende Oberlicht eines Gästezimmers. An der Gardine seilte er sich nach innen ab und zog diese, als er auf dem Fußboden stand, zu sich herunter. Dabei konnte er es nicht verhindern, daß auch der Gardinenkasten mit herabkrachte. Weil das Gepolter ihn erfreute, zerrte er auch an der Gardine des zweiten Fensters so lange, bis der Kasten aufs Parkett donnerte. Es wurde sofort viel heller im Zimmer, da der Mondschein nun ungehindert eindringen konnte. Filip vermochte die Dinge auf Schränken und Tischen genau zu unterscheiden, ohne seine Augen allzusehr anzustrengen. Deutlich sah er eine Ton- und eine Porzellanvase auf einem Schrank stehen und konnte sogleich prüfen, welche von beiden haltbarer war. Pah! Sie vertrugen beide nicht viel! Ein Wurf an die Wand machte hundert Scherben und Splitter aus ihnen. Nun zog das große Waschbecken seine Aufmerksamkeit auf sich. Was geschah wohl, wenn man den großen Stein, diesen lächerlichen Briefbeschwerer dort, hineinwarf? Er sprang auf den Tisch, nahm den Stein und feuerte ihn kraftvoll in Richtung auf das Waschbecken. Aber er verfehlte sein Ziel, das Geschoß schlug nur eine tiefe Kerbe in den Kleiderschrank. Er mußte mehr nach links werfen. Also sammelte er den Briefbeschwerer wieder auf und versuchte sein Glück ein zweites Mal. Und diesmal traf er! Der Stein durchschlug das Waschbecken und landete auf dem Fußboden. Filip machte einen kleinen Freudentanz auf dem Tisch und hüpfte dann auf den Sessel hinüber, um das bunte Kissen, das dort lag, auf seine Reißfestigkeit zu prüfen. Da hörte er Schritte die Treppe heraufkommen und spürte, daß sie ihm galten. Darum sah er sich rasch nach einem Versteck um. Das Federbett schien ihm dafür am besten geeignet, und so sprang er mit einem gewaltigen Satz mitten hinein. Gerade wollte er unter die Decke schlüpfen, da merkte er, daß der Platz schon besetzt war: ein älterer Herr schlief dort einen tiefen traumlosen Schlaf. Als das haarige Tier ihm aufs Gesicht trat und die Decke anhob, erwachte er und schoß entsetzt in die Höhe.
Da zog Filip es vor, sich nach einem anderen Versteck umzusehen. Vielleicht war der Platz hinter der komischen Figur auf dem Kleiderschrank noch frei. Tatsächlich, dort hatte sich niemand schlafen gelegt. Filip kauerte sich nieder und wartete ab.
Schon wurde die Tür geöffnet. Irene, das Zimmermädchen, steckte die Nase um die Ecke und tastete nach dem Schalter. Als das Licht aufflammte, entdeckte sie das zertrümmerte Waschbecken und den beschädigten Schrank.
„Was ist de- de- denn hier pa- pa- passiert?“ rief sie entsetzt und stotterte dabei noch mehr als sonst.
Da sie nicht gleich an einen Einbrecher dachte, glaubte sie, der Mann im Bett habe einen Tobsuchtsanfall gehabt. Vorsichtig trat sie ganz ins Zimmer, um sich den Schaden genauer zu besehen.
„Ist Ih- Ih- Ihnen ni- ni- nicht gut?“ fragte sie verstört. Sie stand dabei genau vor dem Kleiderschrank. Filip sah das bunte Kopftuch greifbar nahe vor sich, unter dem das lange Haar in dicken
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