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In sueßer Ruh

In sueßer Ruh

Titel: In sueßer Ruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. E. Lawrence
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Zurschaustellung der Leichen. Und genau dies war ein Teil des Vergnügens, das der Mörder hatte, und seine Art, sie zu verhöhnen. Butts war das ebenfalls klar, und es machte ihn wütend – er nahm es persönlich. Die Tatsache, dass er nicht gewillt war, damit herauszurücken, war ein Indiz dafür, wie sehr es ihm gegen den Strich ging.
    Lee spähte durch die Scheibe in den Verhörraum. Palatine summte inzwischen vor sich hin, ein knirschendes, unmelodisches Rasseln, das sich anhörte wie die Räder einer U-Bahn auf den Gleisen. Er sah den Flur hinunter – noch immer keine Spur vom Detective. Vielleicht sollte er ohne ihn mit der Befragung beginnen. Paladine machte einen zunehmend erregten Eindruck, und Lee befürchtete, der Stress könne den Kerl vollkommen ausrasten lassen und damit jeden Versuch, Informationen von ihm zu bekommen, unmöglich machen.
    Als er die Hand auf die Türklinke legte, um den Verhörraum zu betreten, hörte er ein Geräusch. Er drehte sich um und sah Butts durch den Flur schwerfällig auf sich zutrampeln. Sein Gang war eher ein Schlurfen, er zog das linke Bein nach. In einer Hand hielt er eine Sporttasche, in der anderen eine Flasche Evian.
    »Tut mir leid, ich bin zu spät«, keuchte er. »So ein Depp hat im Sportstudio ’ne Hantel auf mich drauffallen lassen.«
    »Alles in Ordnung mit Ihnen?«
    »Ja, alles gut«, sagte Butts und rieb sich sein linkes Bein. »Kann ich vielleicht zum Vorwand nehmen, um ’n paar Tage nicht trainieren zu müssen – muss bloß noch meine Frau überzeugen, dass es nicht gut für mich ist.«
    »Wäre es vermutlich auch nicht.«
    Der Detective zuckte mit den Achseln. »Was soll’s. Manchmal macht’s mir irgendwie Spaß, und manchmal ist es Mist. Auf jeden Fall ist mein Blutdruck gesunken, und ich hab schon fünf Pfund abgenommen, nicht schlecht, wie?« Er sah durch die Scheibe auf Palatine. »Ist das der Kerl?«
    »Ja.«
    Butts musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen. Palatine war inzwischen aufgestanden und dirigierte ein imaginäres Symphonieorchester. Er fuchtelte mit seinen langen, dünnen Armen herum und gab dazu erstickte Geräusche von sich – Lee nahm an, dass er zu der Musik in seinem Kopf summte.
    »Na ja, mehr oder weniger das richtige Alter hat er ja«, meinte Butts. »Und er ist ein Weißer. Aber er sieht aus wie ein übergeschnappter Mistkerl.«
    »Ja«, stimmte ihm Lee zu. »Tut er. Sollen wir mit ihm reden?«
    »Worauf warten wir noch?«
    Sie betraten den Raum, Butts vorneweg und Lee unmittelbar hinter ihm. Als Palatine sie sah, fuhr er mit ängstlichem Blick zurück.
    »Hallo, Mr Paladine. Ich bin Detective Leonard Butts, und das ist mein Kollege Dr. Lee Campbell. Wir hoffen, Sie haben nichts dagegen, dass wir Ihnen einige Fragen stellen.«
    Zu ihrer beider Überraschung riss Paladine sich mit einem Ruck die Mütze vom Kopf und beschrieb damit einen tiefen, schwungvollen Bogen, als wäre sie der gefiederte Hut eines Edelmanns aus dem 18. Jahrhundert.
    »Willkommen!«, dröhnte er mit klarer Stimme. Seine Verfassung und sein Auftreten wandelten sich schlagartig, und diese Veränderung mit anzusehen, war erstaunlich. Die ruckhaften Bewegungen eines medikamentenabhängigen paranoiden Schizophrenen wichen den geschmeidigen, anmutigen Gesten eines Höflings. Er grinste und entblößte dabei auseinanderstehende, nikotinverfärbte Zähne. »Der König erwartet seinen Leibarzt bereits. Seine Majestät haben etliches mit Ihnen zu besprechen.«
    »Wir sind ja hier, um mit Ihnen zu sprechen«, begann Butts, doch Lee legte ihm eine Hand auf die Schulter.
    »Könnten Sie uns zu ihm führen?«, sagte er.
    »Aber sicher!«, gab Palatine zurück. »Hier entlang, bitte!« Er entfernte sich einige Schritte von ihnen, dann drehte er sich um. Als er sah, dass sie stehen blieben, verdüsterte sich seine Miene, und er klatschte dreimal kurz in die Hände. »Nun kommen Sie schon! Ihre Königliche Hoheit liebt es nicht, dass man sie warten lässt!«
    »Verzeihung«, sagte Lee. Er machte ein paar Schritte in die Richtung, in die Paladine deutete, und zog Butts mit sich, der nur widerwillig mitkam.
    Paladine tänzelte auf die andere Seite des Raums und blieb dort mit dem Rücken zu ihnen stehen. Er wirbelte herum und sagte: »Nun? Was ist? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit, müssen Sie wissen!«
    Butts sah Lee an, der sagte: »Ich grüße Sie, Euer Majestät!«
    Der Detective verdrehte die Augen. »Also, Himmelherrgott noch mal –«
    Lee kniff ihn.
    »Au!«,

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