In Todesangst
Sohn kannte unsere Tochter anscheinend wesentlich besser, als er zugeben will«, sagte ich.
»Ich verstehe kein Wort«, sagte er.
Ich kramte den Player aus der Tasche. »Dann hör dir das mal an.« Ich ging zu meinem Wagen und stöpselte den iPod wieder ein.
Als Syds Stimme erklang, weiteten sich Susannes Augen. Ich wusste nur allzu genau, was in ihr vorging. Seit Wochen hatten wir die Stimme unserer Tochter nicht mehr gehört.
Das Geplänkel zwischen Syd und Evan drang aus den Lautsprechern, ehe Evan zu singen begann und Syd ihn mit dem Spruch über ihr Höschen unterbrach.
Ich drückte auf Pause. »Noch mal von vorn?«, fragte ich.
»Was soll das?«, fiel mir Evan ins Wort. »Das ist noch nicht mal ein fertiger Song, bloß ein paar Textzeilen. Wir haben nur rumgealbert, das war alles.«
»Willst du uns verarschen?«, schnauzte Bob mich an. »Wegen diesem Scheiß veranstaltest du so ein Affentheater?«
Susanne schien allerdings ganz und gar nicht seiner Meinung zu sein. »Wieso hat Syd das zu dir gesagt?«, fuhr sie Evan an. »Warst du hinter ihr her? Los, mach den Mund auf!«
Evans Wangen röteten sich.
»Suze«, sagte Bob. »Reg dich nicht so auf.«
»Lass mich bloß in Ruhe!«, zischte sie.
»Er will dich doch nur einwickeln, Suze! Kapierst du nicht, was für ein mieses Spiel der Typ hier treibt? Er will einen Keil zwischen uns treiben, indem er Evan gegen uns ausspielt.«
Susanne schien ihm gar nicht zuzuhören. Ihr rechtes Bein zitterte, als sie sich vor Evan aufbaute und das Kinn reckte.
»Zum letzten Mal«, sagte sie mit gefährlich leiser Stimme. »Was ist zwischen dir und Syd gelaufen?«
»Nichts«, sagte Evan. »Wir haben bloß geredet.«
»Was noch?«, hakte sie nach. »Ich will alles wissen, hast du verstanden?«
Evan warf seinem Vater einen frustrierten Blick zu. »Da war nichts, echt nichts. Wir haben uns einfach bloß gut verstanden, okay? Ein bisschen miteinander gequatscht, aber wir wollten eben nicht, dass ihr etwas davon mitbekommt – na ja, weil wir dachten, ihr flippt aus, wenn wir zusammen abhängen. Ihr hättet das bloß in den falschen Hals bekommen, von wegen Inzest und so. Aber da war nichts, absolut nichts.«
Sogar Bob und ich wechselten einen stirnrunzelnden Blick.
»Es war total harmlos, ehrlich«, beharrte Evan.
»Hast du mit meiner Tochter geschlafen?«, fragte Susanne ohne Umschweife. Und womöglich wäre ich selbst mit dieser Frage herausgeplatzt, hätte ich nicht andere Sorgen als das Liebesleben meiner Tochter gehabt.
»Ich glaub’s einfach nicht«, sagte Evan. »Was für eine beschissene Frage.«
»Wie wär’s, wenn du sie einfach beantwortest?«, sagte Susanne.
»Wir … wir haben bloß ein bisschen gefummelt.«
»Na, super«, sagte Bob.
»Sie ist nicht meine Schwester«, sagte Evan. »Wir sind nicht miteinander verwandt, verdammt noch mal!«
»Du Idiot«, fuhr Bob Evan an, packte ihn am Arm und schüttelte ihn. »Was hast du dir dabei gedacht?«
»Du hast doch vorgeschlagen, ich sollte bei euch einziehen!«, brüllte Evan ihn an, und zumindest in der Hinsicht hatte er gar nicht so unrecht. »Hast du geglaubt, ich stehe nicht auf Mädchen?«
Ich sah Susanne an, doch sie wich meinem Blick aus. So ruhig wie eben möglich sagte ich zu Evan: »Hör zu, Junge, nur dass eins klar ist. Mir gefällt ganz und gar nicht, was zwischen dir und meiner Tochter gelaufen ist, und unter anderen Umständen würde ich dir einen gehörigen Arschtritt verpassen.«
Mein leiser Tonfall schien Bob zu beschwichtigen; jedenfalls ließ er Evan los.
»Aber im Augenblick interessiert mich nur, dass wir Sydney endlich wiederfinden«, fuhr ich fort. »Fest steht, dass du uns belogen hast, was dein Verhältnis zu Syd angeht. Was hast du uns sonst noch an Lügen aufgetischt?«
»Ich schwöre, ich …«
»Schluss jetzt«, sagte ich. »Entweder sagst du uns jetzt die Wahrheit, oder ich rufe die Polizei.«
»Ehrlich, ich …«
»Mach schon«, sagte Bob. »Sag ihm, was du weißt.«
»Da war nicht viel.« Evan senkte den Blick. »Zuerst mal ging ihr der Job auf den Geist.«
»Welcher Job?«, fragte ich. »Wo hat sie gearbeitet?«
»Mir hat sie erzählt, im Hotel«, sagte Evan. »Genau wie Ihnen.«
»Und was gefiel ihr dort nicht?«
»Sie wollte lieber wieder bei Ihnen in der Firma unterkommen. So wie letztes Jahr.«
»Was war sonst noch?«, fragte ich.
Evan schluckte. »Na ja, sie machte sich ein bisschen Sorgen, weil …«
Wieder warteten wir darauf, dass Evan endlich mit
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