In Todesangst
ich. »Das könnt ihr später erörtern. Im Augenblick steht an erster Stelle, dass wir Sydney wiederfinden. Wenn sie zurück ist, können wir immer noch in Ruhe über alles reden.«
Die anderen schienen einer Meinung mit mir zu sein, nur Evan sah ein wenig betreten drein. Ich holte tief Luft. »Noch mal zurück zu Syds Job«, sagte ich. »Was gefiel ihr denn nicht?«
»Weiß ich doch nicht. Sie hat bloß gesagt, der Job würde sie mies draufbringen. Sie meinte, ihre Kollegen würden nicht mit ihr reden. Als hätten sie vor irgendwas Angst. Sie fand es irgendwie unheimlich.«
»Angst?«, wiederholte Susanne. »Wovor?«
Erneut zuckte Evan mit den Schultern. »Mehr hat sie nicht gesagt. Ist auch nicht der Superbringer, dauernd über Arbeit zu reden, oder?«
»Was ist denn der Superbringer?«, gab Susanne zurück. »Was treibst du die ganze Zeit, wenn du dich in deinem Zimmer einschließt?«
»Jetzt lass es gut sein, Suze«, sagte Bob.
Doch Susanne ließ sich nicht beirren. »Du hast bereits zugegeben, dass du mit meiner Tochter im Bett warst«, sagte sie. »Also, machen wir komplett reinen Tisch. Was ist mit dem gestohlenen Geld?«
»Das war er nicht, Suze«, fiel ihr Bob ins Wort. »Das hat er mir selbst gesagt.«
Doch Susanne beachtete ihn nicht, sondern hielt weiter den Blick auf Evan gerichtet.
»Na ja.« Evan sah zu seinem Vater. »Ich hatte dich ja gefragt, ob du mir ein bisschen unter die Arme greifen könntest.«
»Wovon redest du?«
»Ich hatte dir doch gesagt, dass ich Geld brauche.«
»Ja, und? Du kriegst doch Geld für deine Arbeit hier.«
»Das reicht nicht«, sagte Evan leise.
»Wie?«, sagte Susanne. »Und dann klaust du einfach Geld aus meiner Handtasche und aus dem Büro? Und meine Uhr hast du dir auch unter den Nagel gerissen!« Sie war verdammt wütend für jemanden, der erst vor ein paar Minuten zusammengebrochen war.
»Die hab ich doch aus der Pfandleihe zurückgeholt«, sagte er, als hätte er sich damit einen Orden verdient. »Als ich gerade eine Glückssträhne hatte.«
»Eine Glückssträhne?«, sagte ich. Evans Blick verriet, dass er sich am liebsten auf die Zunge gebissen hätte, nur dass es jetzt zu spät war. »Wobei?«, hakte ich sofort nach.
»Ah, ich …« Evan schien fieberhaft zu überlegen.
Ich wagte einen Schuss ins Blaue. »Beim Zocken?«, fragte ich. »Online?«
»Das mache ich nur ab und zu«, sagte Evan. »Bloß zum Spaß.«
»Also klaust du, um deine Kreditkartenrechnungen bezahlen zu können.«
Evan antwortete nicht.
»Wie bitte?« Ungläubig starrte Bob ihn an. »Ich habe dir die Karte für Notfälle gegeben und nicht für Glücksspiele im Internet.«
»Wie hoch sind deine Schulden?«, fragte ich.
»Ein Tausender oder so.«
»Oder so?«, sagte Bob.
»Ungefähr viertausend«, murmelte Evan.
»Das ist nicht wahr«, sagte Bob.
»Evan«, sagte ich. »Bist du bei mir zu Hause eingebrochen, um an Geld zu kommen?«
Nachdrücklich schüttelte Evan den Kopf. »Nein! Damit habe ich nichts zu tun, ich schwör’s! Ich habe mir nur von ein paar Freunden Geld geliehen.«
»Zusätzlich zu den viertausend?«, fragte Bob.
Evan nickte verlegen. »Ja, ungefähr sechshundert.«
Wir schwiegen einen Moment und blickten uns an, während uns allen wahrscheinlich dasselbe durch den Kopf ging: In welchen Mist wollten sich unsere Kids eigentlich noch hineinreiten?
Susanne wandte sich zu mir. »Kann ich dich kurz allein sprechen?«
Wir gingen ein paar Schritte in Richtung des Büros. Sie hielt sich an meinem Arm fest.
»Die Geschichte mit den Spielschulden, das ist erst mal Bobs Problem«, sagte sie.
Ich war mir da nicht so sicher. Ich fragte mich, ob Evan unsere Tochter in irgendwelche dunklen Machenschaften hineingezogen hatte. Aber ich ließ Susanne weiterreden.
»Vielleicht ist Syd ja schwanger und hatte Angst, es uns zu sagen«, mutmaßte sie.
Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das der Grund für Syds Verschwinden war, auch wenn ich es nur allzu gern geglaubt hätte. Zumindest hätten wir damit Gewissheit gehabt, dass sie noch lebte, und selbstverständlich hätte ich meine schwangere Tochter mit offenen Armen empfangen.
Trotzdem.
»Warum hätte sie gerade jetzt abhauen sollen?«, fragte ich. »Ganz am Anfang einer Schwangerschaft? Wir hätten doch ohnehin nichts gemerkt.«
Susanne nickte. »Klar. Aber vielleicht wollte sie ja abtreiben lassen.«
»Sie ist seit Wochen verschwunden, Suze. Eine Abtreibung hätte sie viel schneller über die Bühne
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