In Todesangst
Tatsache, dass er in der Vergangenheitsform sprach, brachte mich einen Moment lang aus dem Konzept, ehe mir aufging, dass er auf den letzten Sommer anspielte, als sie ihm den Laufpass gegeben hatte. »Was meinen Sie?«
»Das stimmt doch nicht«, sagte ich. »Syd mag dich, das weißt du genau.«
»Aber warum hat sie dann mit mir Schluss gemacht? Sie hat Ihnen doch bestimmt irgendwas erzählt.«
Ich lächelte gezwungen. »Es gibt eine Menge Dinge, von denen mir Syd nichts erzählt hat. Über eure Beziehung hat Sie mir gegenüber jedenfalls kein Wort verloren.«
Jeff zuckte mit den Schultern. »Na ja, sie sieht mich eher als Kumpel. So wie Patty auch. Aber irgendwie nervt’s nach ’ner Weile, wenn man für alle Mädchen immer bloß der gute Kumpel ist.«
»Mach dir keine Gedanken, Jeff«, sagte ich. »Manchmal dauert es eben ein bisschen, bis man die Richtige trifft.«
Sein Blick sprach Bände. Er glaubte mir kein Wort, war aber zu wohlerzogen, um mir das unter die Nase zu reiben. »Kann schon sein«, sagte er vage und kippte den Rest der Cola auf einen Zug. »Ich hoffe bloß, dass Syd bald wieder nach Hause kommt.«
Ich wartete einen Moment. »Jeff, ich bin mir sicher, dass der Einbruch hier etwas mit Sydneys Verschwinden zu tun hat. Sie steckt in irgendwelchen Schwierigkeiten, verstehst du?« »Hmm.«
»Denk bitte mal nach«, sagte ich. »Gibt es irgendetwas, das Syd veranlasst haben könnte, von einem Tag auf den anderen zu verschwinden? Irgendwas, von dem du mir bislang noch nichts erzählt hast?«
»Nein, echt nicht«, sagte er. »Wie gesagt, wir sind bloß noch gute Kumpel. Ich habe echt keine Ahnung, was bei ihr so abgeht.«
»Falls dir doch noch was einfallen sollte …« Ich sparte mir die Mühe, den Satz zu Ende zu bringen.
»Ich muss los«, sagte Jeff. »Ich bin bloß mitgekommen, um zu sehen, wie’s Ihnen geht. Sagen Sie Patty, dass ich wegmusste?«
»Klar«, versprach ich.
Kurz darauf kehrte Patty in die Küche zurück. »Wo ist Jeff?«, fragte sie. »Musste er in den Zirkus zurück?«
»Was?«
»Sie wissen schon. Diese verpennten Bären, die da auf Dreirädern rumfahren müssen.«
»Das ist fies, Patty«, sagte ich.
»Ach was«, gab sie zurück. »Jeff kennt den Spruch. Er weiß, dass es bloß ein Witz ist.«
»Trotzdem ist es fies.«
Sie setzte eine Unschuldsmiene auf. »Jeff ist auch kein Kind von Traurigkeit. Sie sollten mal hören, was er so über uns Mädchen sagt.«
»Zum Beispiel?«
»Dass wir bloß geile Schlampen wären. Obwohl er sich sonst immer wie ein beschissener Priester aufführt, bloß wenn man mal ›Scheiße‹ sagt.«
»Und wieso hat er Syd eine geile Schlampe genannt?«
»Ach? Ob er mich so nennt, ist Ihnen egal?«
Auf den Köder fiel ich nicht rein. »Also bitte, Patty, du legst es doch darauf an. Wer dauernd so ungewaschen daherredet wie du, braucht sich nicht zu wundern, wenn die Leute auf falsche Gedanken kommen.«
Sie legte den Kopf schief. »Sag bloß.«
»Aber soweit ich weiß, hat Syd kein derartiges Image kultiviert.«
»Kultiviert«, sagte Patty. »Sie kennen vielleicht Worte.«
»Also, warum sollte Jeff so etwas über Syd sagen?«
Patty schien tatsächlich zwei Sekunden darüber nachzudenken. »Na ja, vielleicht, weil sie mit ihm Schluss gemacht hat«, sagte sie dann. »Könnte doch sein, dass er sie bloß sich selbst gegenüber schlechtreden wollte – so nach dem Motto, die Alte ist es doch eh nicht wert, dass ich ihr hinterher trauere.«
Ich nickte. »Möglich.«
Patty trat vor die Arbeitsplatte und begann die restlichen Dosen in den Schrank zu räumen. Die nächsten zwei Stunden half sie mir beim Putzen und Aufräumen, fragte, wo dieses und jenes hinkam, und trug Mülltüten nach draußen. Wir arbeiteten Seite an Seite, und auch wenn wir manchmal über die Füße des anderen stolperten oder mit den Schultern zusammenstießen, entwickelten wir einen ziemlich effektiven Rhythmus. Patty hielt mir die Mülltüten auf, wenn ich Unrat entsorgte, oder rückte Stühle aus dem Weg, wenn ich mit dem Staubsauger zugange war. Eine widerspenstige Haarsträhne fiel ihr immer wieder in die Stirn, während sie neben mir schuftete; sie versuchte sie wegzupusten, und als das nicht half, strich sie sich die Strähne genervt hinters Ohr, wo sie sich ein paar Sekunden später erneut löste.
Schließlich gingen wir in die Küche, um etwas zu trinken.
»Erinnerst du dich daran, was du neulich über DVD- Player in Vans gesagt hast?«, fragte ich. »Von wegen
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