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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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schönes Haar. »Das wäre der Ruin unserer Börse, schädlicher Müßiggang und Versuchung durch den Bösling …«
    Miroul schaute mich an und zupfte dreimal seine Saite, die dreifache Gefahr zu unterstreichen, die unserer jungen Jahre andiesem Ort harrte. Und ich meinerseits war überrascht: selbst dem unschuldhaften Samson war nicht verborgen geblieben, daß die drallen Serviermädchen, die hier in Überzahl bedienten, beileibe nicht vom Anstrich der zwei Engel auf dem Firmenschild waren, die sich freilich, da in Blech geschnitten, für ihre Tugend kein Verdienst zuschanzen konnten.
    Gerade wollte ich auf Samsons Bemerkung antworten, als in der Rue de la Mazelerie, in der die Herberge gelegen war, gewaltiger Lärm aufbrandete: Hufgetrappel, Fluchen, Schreie. Ich eilte ans Fenster (und ich mußte es aufstoßen, um etwas sehen zu können, war es doch nicht aus Glas, sondern mit ölgetränktem Papier bespannt). Samson folgte mir, ebenso Miroul mit seiner Viole in der Hand, und im hereinbrechenden Abend sahen wir gut ein halbes Hundert Reisende von ihren braunroten Pferden – stämmige Tiere mit prallen Kruppen und langen Schwänzen – herab auf das glänzende Pflaster springen; Männer und Frauen in staubiger Kleidung aus allerdings gutem Stoff und von lebhaften Farben, bewaffnet mit Arkebusen, Pistolen oder Degen; die Weibsbilder mit einem breiten Langdolch an ihrer vollen weichen Hüfte, auf dem Kopf gegen die Sonne der mittäglichen Provinzen einen Hut so groß wie ein Schild. Männer und Frauen unterschiedlichen Alters und Standes, aber hochgewachsen, mit breiten Schultern, das Haar strohfarben, die Augen blau; einige jedoch von ganz anderem Typ, klein, gedrungen, Haut und Haar dunkel. Aber alle zeigten sich sehr erfreut, daß die Unterkunft erreicht war, sie riefen, lachten, schwätzten ohrbetäubend, und in ihrer Freude, wieder Erdberührung zu haben, stießen, schubsten und umarmten sie einander, wechselten Zurufe über die ganze Straße hin und kreischten, was die Kehle hergab, unterdessen ihre großen Pferde dampften, mit den Hufen schlugen und, ihre blonden Mähnen schüttelnd, nach dem Hafer wieherten, daß einem das Trommelfell dröhnte. Kurz, Leute wie Tiere gebärdeten sich in der Rue de la Mazelerie so laut, daß man hätte meinen können, eine Armee aufrührerischer Taugenichtse belagere das Rathaus.
    Die braven Toulouser der Vorstadt hingen allesamt in den Fenstern, starrten baß und stumm, mit Glubschaugen, und spitzten die Ohren ganz verdutzt, denn die Ankömmlinge redeten ein seltsames Kauderwelsch, darin sich französische Wörter (jedoch ohne den spitzen Akzent von Paris gesprochen) miteiner fremdartigen Sprache mengten, die keiner braven Mutter Sohn verstand.
    Die Truppe drängte schließlich mit unendlichem Geschiebe und Tumult hinein in die Herberge, unterdessen die Hausknechte herbeieilten und die Pferde in die Ställe führten, dabei sie Laute der Bewunderung ausstießen über deren stattliche Brust und gewaltige Kruppe. Unter unseren Sohlen – wir logierten im zweiten Stock – setzte sich der Krach fort, so laut, daß man hätte meinen können, die Mauern brächen zusammen. Wir vernahmen ein Klopfen an unserer Tür, und da Samson und ich am Fenster noch eben die Pferde betrachteten, befahl ich Miroul zu öffnen. Was er auch tat, mit der Viole in der Hand, von der er sich selbst beim Schlafengehen nicht trennte.
    Es erschien – ich erkannte sie aus dem Winkel meines linken Auges – die Wirtin persönlich: braun, lebhaft und rührig, gut gekleidet in gelbem Rock und einem Schnürmieder von gleicher Farbe, aus dem so schöne, so runde, so aufregende Brüste hervordrängten, daß ein böser Mensch hätte sein müssen, wer solches darbot und nicht auch wünschte, daß man es betastete.
    »Mein hübscher Junge, bist du nicht der Diener der schönen Edelleute aus dem Périgord, die da am Fenster ihre Zeit vertrödeln?« fragte die Wirtin in ihrem Toulousisch.
    »Bin ich!« rief Miroul und zupfte eine höfliche Saite seiner Viole. »In deren Diensten steh ich und bin Euch augenblicklich ebenso ergeben, meine gute Wirtin«, fuhr er fort, eine andere Saite zupfend, womit er ihr wunderviel sagte über seinen Blick hinaus.
    »Bei allen Heiligen!« rief die Wirtin lachend, »gut wetzt du deinen Schnabel, Diener, und spielst dein Instrument. Wie heißt du?«
    »Miroul, zu Euren Diensten«, beschied der Brave, zupfte seine Viole und sang:
    »Ein Auge blau, ein Auge braun,
    das ist Miroul, ihr

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