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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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genießt mein volles Vertrauen. Er ist sehr gebildet. Er darf die Beichte abnehmen, und ich habe ihn meinen braven Pilgern zum geistigen Vater bestimmt.«
    Bruder Antoine grüßte mit gütigem Kopfnicken, musterte mich indes aus seinen schwarzen Äuglein. Nur ja Vorsicht bei diesem Bruder! war mein Gedanke, vielleicht riecht er in mir den Hugenotten.
    »Dieser Wein ist nicht von den schlechtesten!« rief der Baron, den Becher absetzend, und grapschte sich mit ganzer Hand eine zweite Wurst.
    Nachdem das Beutestück in den Mund geführt war, fuhr der Baron fort:
    »Der Grund meiner Pilgerreise, Monsieur de Siorac, ist, daß meine arme Frau an einem fortwährenden Fieber langsam hinsiecht. Mein Freund, Ihr habt es erraten: ich begebe mich nach Rom, um unseren heiligen Vater, den Papst, zu bitten, er möge die Jungfrau Maria bitten, daß sie sich beim Göttlichen Sohn für die Gesundung meiner Gemahlin einsetzt.«
    Welch eine Abgötterei! dachte ich, und wie viele Vermittler: der Papst! und Maria! Warum nicht einfach den Herrgott bitten? oder als Vermittler nur eben den Sohn, wie es in den Evangelien steht? Doch ich fühlte Bruder Antoines bohrenden Blick auf mir lasten, blieb fein still und setzte lieblichste Miene auf.
    »Monsieur de Siorac«, fragte Bruder Antoine mit süßester Stimme, »Ihr begebt Euch ganz ohne Besorgnis zum Studium nach Montpellier, obwohl es dort von Ketzern wimmelt?«
    »Ein braver Christ fürchtet den Teufel nicht«, entgegnete ich mit einem Lächeln.
    »Das nenne ich gut geantwortet!« rief der Baron. »Holla, Mädchen, Wein her!«
    Doch das angerufene Serviermädchen stellte sich taub, und ich begriff warum.
    »Mein Herr Dolmetscher«, sprach der Baron, »mehr als alle anderen Jungfern hier gefällt mir diese, und ich werde es sie die kommende Nacht spüren lassen. Sagt ihr, sie soll mir ihren Wein bringen, auf der Stelle, oder ich zersäbele ihr die Titten.«
    »Ich gehe und sag es ihr«, antwortete ich und erhob mich, froh darüber, Bruder Antoines Auge zu entwischen und mich einer so hübschen Dirn zu nähern.
    Ich strebte auf das junge Mädchen zu, und um es zu besänftigen, legte ich ihm beide Hände auf die Hüften und bedachte es mit einem freundlichen Lächeln.
    »Mein Kind, erzürne den Baron nicht gar zu sehr. Er wünscht sich deinen Wein.«
    »Es ist … ich möchte nämlich nicht, daß dieser Esel mir den Rock vollschmiert, wie er es bei der Madeleine getan«, sagte sie.
    »Und du, wie heißt du, Schätzchen?« fragte ich. Und mein Lächeln kostete mich keine Mühe, da ihre schönen schwarzen Augen mich bezauberten.
    »Franchou heiße ich, edler Herr.« Sie machte eine Verbeugung und hielt den Weinkrug in die Höhe – ein sehr anmutiges Bild. Doch mich hatte vor allem der Name überrascht: Franchou! durchfuhr es mich, Franchou! Wie jenes Kammermädchen, das mein Vater vor der Pest aus der Vorstadt Lendrevie gerettet hatte!
    »Franchou, wenn du dem Baron nicht gehorchst, will er dir die Brüste zersäbeln«, sagte ich.
    »Jessas!« rief Franchou mit einem Quentchen Entsetzen im Gesicht, das mich entzückte. »Dies also kauderwelscht er in seinem französischen Patois. Heilige Muttergottes, würde er das tun?«
    »Weiß ich nicht. Er ist ein Mann von wenig Geduld. Geh hin, Franchou! Ich werde die Wirtin bitten, für den Schaden an deinem Rock aufzukommen.«
    »Großen Dank, mein edler Moussu«, sagte sie und schaute mich sehr freundlich an.
    Leider ließ es die Kleine dabei nicht bewenden. Kaum hatte sie dem Baron eingeschenkt, betatschte der sie und versaute ihr mit seinen fettigen Fingern den Rock.
    »Ha!« rief der Baron, »mir will scheinen, Herr Dolmetsch, Ihr habt nicht nur für meinen Heiligen gepredigt, sondern ebensosehr für den Euern, denn das Mädchen hat Augen nur für Euch!«
    »Was sagt der Hornochs?« fragte Franchou.
    »Daß du eine kleine Schwäche für mich hast.«
    »Was allerdings wahr ist«, gestand Franchou freimütig.
    »Monsieur de Siorac, Ihr habt um den Hals ein schönes Kettchen. Darf man sehen, was daran hängt?« fragte Bruder Antoine.
    Ich holte die Medaille unter dem Hemd hervor.
    »Die Jungfrau Maria!« Er schlug das Kreuz. »Gebenedeit sei die Muttergottes! Und wer, mein Sohn, hat Euch diese schöne Reliquie geschenkt?«
    »Meine Mutter«, sagte ich karg.
    »Ganz gewiß ist Eure Mutter von vornehmer Geburt, da die Medaille aus Gold, edel gearbeitet und sehr alt ist.«
    »Mitnichten«, erwiderte ich eilig. »Wir sind von jungem Adel. Mein Vater

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