In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
anschließen und in ihrer Begleitung bis Montpellier reisen sollten: der Trupp sei groß und gut bewaffnet, mit ihm würden sich die Straßendiebe der Corbières-Berge nicht anzulegen wagen.
»Was! die ganze Zeit mit diesen Papisten leben?« rief er. »Eine Maske tragen? ihre Messen hören? vielleicht gar beichten?«
Ich warf mich auf, stemmte die Hände in die Hüften. »Mein Herr Bruder, ganz fehl ist Euer Murren«, sagte ich etwas kühl.
Dieser Ton traf ihn in einem Maße, daß ihm die Tränen kamen, so groß war die Liebe, die uns verband. Ich selbst konnte es nicht ertragen, daß er, ob wenig oder viel, meinerhalben litt, und eilte, innerlich sehr bewegt, auf ihn zu, umarmte ihn, küßte ihn auf beide Wangen. Darauf Miroul seine Viole zupfte.
Ich setzte Samson auf das Bett neben mich und sagte: »Bru der , erinnert Euch, wie klug unser Vater handelte, als er Euch die Verwaltung unserer Börse anvertraute, mir aber die Führung unserer kleinen Schar, dabei er mir riet, allenfalls den Ratschlägen Mirouls zu folgen, der besser als wir die Räuber der großen Straßen kennt.«
Hier senkte Miroul traurig das Haupt, denn seine ganze Familie war von einer solchen Schurkenbande niedergemetzelt worden, und ihm wäre Gleiches widerfahren, hätte er sich nicht geistesgegenwärtig im Heu versteckt.
»Aber das Brot brechen mit diesen blutrünstigen Papisten, die so viele der Unseren auf den Scheiterhaufen geschickt haben!« wandte Samson ein.
»Blutrünstig sind sie gewesen und könnten es wieder werden«, sagte ich, »doch zur Stunde regiert irgendwie Frieden zwischen ihnen und uns. Ansonsten sind diese Normannen zwar Götzenanbeter, aber brave Leute. Laß mich nur machen, mein lieber Samson.«
»Aber du weißt, ich kann nicht heucheln.«
»Ich weiß es«, sagte ich und legte ihm den Arm über die Schulter. »Darum werde ich für uns beide Verstellung üben. Du, Samson, hältst den Mund, sagst keinen Ton, ich aber werde erzählen, du littest an einem zehrenden Fieber, und Miroul pflegt dich und wird auf alle Fragen, die man ihm stellt, mit Akkorden seiner Viole antworten. Was meinst du, Miroul?«
»Mein Herr und Meister, ich denke, Ihr habt recht«, erwiderte Miroul. »Weniger groß ist die Gefahr, mitten unter den Papisten zu reiten, denn allerwegen allein und auf unsere schwachen Kräfte angewiesen.«
»Was aber werden sie tun, wenn sie uns auf die Schliche kommen?« fragte Samson.
»Nichts, möchte ich wetten. Der Baron ist zwar ein Rohling, aber nicht grausam.«
Es klopfte an die Tür. Miroul öffnete, und es erschien, mit einem schweren Tablett in den Händen, Franchou.
»Meine Herrin sieht keinen Platz, Euch am Tisch unten im großen Saal unterzubringen, edle Herren, da dort die vielen Pilger aus dem Norden speisen«, sagte Franchou und hatte nur Augen für mich.
»Aber das ist uns doch sehr angenehm!« erwiderte ich.
Samson den Rücken zuwendend, half ich Franchou, die Last zu einem Tischchen in Fensternähe zu tragen, wo wir ungestört Blicke tauschen konnten.
»Mädchen«, sprach ich zu ihr, da ich vor meinem Bruder ihren Namen nicht nennen wollte, »ich werde mich mit dem Essen beeilen. Sobald du von deinem Tagewerk frei bist, kommst du und sagst mir, ob Baron Caudebec meine Dolmetscherdienste benötigt.«
Sie verstand sofort, und ihre leuchtenden schwarzen Augen gaben es mir zu erkennen.
»Zu Diensten, edler Moussu«, sagte sie und verbeugte sich tief, doch ihr Blick war mitnichten so demütig.
Das saftige Fleisch war ein Genuß, doch so wonnig ich speiste, meine Aufmerksamkeit richtete sich anderwärts: ich lauschte den Geräuschen draußen im Gang; dort hallten schwere, schlurfende Schritte: die Pilger begaben sich zur Nachtruhe. Was auch mein lieber Samson tat, nachdem der letzte Becher Wein geleert war. Angekleidet lag er ganz am Rande der Bettstatt, damit unsere Gäste Platz fänden.
»Miroul«, flüsterte ich, »wenn die braven Leute kommen – und gebe Gott, daß ihre Schultern nicht zu breit und ihre Bäuche nicht zu dick sind –, dann sage ihnen, sie möchten sich leise gebärden, damit Samson nicht aufwacht.«
»Ich werde achthaben, Herr«, sagte Miroul. Und weiß der Teufel: wenn ihn etwas erheiterte und er es nicht zeigen wollte, blieb sein blaues Auge kalt, während das kastanienfarbene Feuer sprühte.
Irgendwer kratzte wie ein Mäuschen an der Tür, welche sich auftat, ohne daß jemand herein gesagt hätte.
»Mein edler Moussu, der Baron begehrt Eure Dolmetscherdienste«,
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