In unsern Traeumen weihnachtet es schon
die kleine Kiste. Als die Kinder nun schliefen, holte Theres die Gans hinunter und begann sie, da Vater Löwenhaupt versicherte, die zehn Tabletten würden einen Schwergewichtsboxer unweigerlich ins Jenseits befördert haben – Theres begann, wobei ihr die Tränen über die Wangen rollten, die Gans zu rupfen, um sie dann in die Speisekammer zu legen. Als Vater Löwenhaupt seiner Frau »Gute Nacht« sagte, stellte sie sich schlafend und antwortete nicht. Bei Nacht wachte er auf, weil er neben sich ein leises Schluchzen vernahm.
Auch Theres schlief nicht; sie überlegte, was man den Kindern sagen werde. Zudem wusste sie nicht, hatte sie im Traum Auguste schnattern gehört:
»Lat mi in Ruh, lat mi in Ruh!
Ick will in mi Truh!«
So kam der Morgen. Theres war als Erste in der Küche. Draußen fiel in dichten Flocken der Schnee. Was war das? Träumte sie noch? Aus der Speisekammer drang ein deutliches Geschnatter. Unmöglich! Wie Theres die Tür zur Kammer öffnete, tapste ihr schnatternd und schimpfend die gerupfte Auguste entgegen. Theres stieß einen Schrei aus; ihr zitterten die Knie. Auguste aber schimpfte:
»Ick frier, als ob ick kein Federn mehr hätt,
Man trag mich gleich wieder in Peterles Bett!«
Jetzt waren auch die Mutter und Vater Löwenhaupt erschienen. Der Vater bedeckte mit seinen Händen die Augen, als stünde da ein Gespenst.
Die Mutter aber sagte zu ihm: »Was nun?«
»Einen Kognak, einen starken Kaffee!«, stöhnte der Vater und sank auf einen Stuhl.
»Jetzt werde ich die Sache in die Hand nehmen«, erklärte die Mutter energisch. Sie ordnete an, dass Theres den Wäschekorb bringe und eine Wolldecke. Dann umhüllte sie die nackte frierende Gans mit der Decke, legte sie in den Korb und tat noch zwei Krüge mit heißem Wasser an beide Seiten.
Vater Löwenhaupt, der inzwischen zwei Kognak hinuntergekippt hatte, erhob sich leise vom Stuhl, um aus der Küche zu verschwinden. Doch die Mutter hielt ihn fest; sie befahl: »Gehe sofort in die Breite Straße und kaufe fünfhundert Gramm gute weiße Wolle!«
»Wieso Wolle?«
»Geh und frage nicht!«
Vater Löwenhaupt war noch so erschüttert, dass er nicht widersprach, seinen Hut und Überzieher nahm und eiligst das Haus verließ.
Schon nach einer Stunde saßen Mutter und Theres im Wohnzimmer und begannen, für Auguste aus weißer Wolle einen Pullover zu stricken. Am Nachmittag nach Schulschluss halfen ihnen die Töchter Elli und Gerda. Peterle aber durfte seine Gustje auf dem Schoß halten und ihr immer den neuen entstehenden Pullover, in dem für die Flügel, den Hals, die Beine und den kleinen Sterz Öffnungen bleiben mussten, anprobieren helfen. Bereits am Abend war das Kunstwerk beendet.
Schnatternd und schimpfend, aber doch nicht mehr frierend, stolzierte nun Auguste in ihrem wunderschönen weißen Wollkleid durchs Zimmer. Peterle sprang um sie herum und freute sich, daß Gustjes Winterschlaf so schnell zu Ende war, dass er wieder mit ihr spielen und sich unterhalten konnte.
Auguste aber schimpfte:
»Winterschlaf ist schnacke-schnick;
hätt ick mein Federn bloß zurück!«
Als Vater Löwenhaupt zum Essen kam und Auguste in ihrem schicken Pullover mit Rollkragen um den langen Hals dahertappen sah, meinte er: »Sie ist schöner als je! So ein Exemplar gibt es auf der ganzen Welt nicht mehr!«
Die Mutter aber erwiderte hierauf nichts, sondern sah ihn bloß an.
Natürlich musste man für Auguste noch einen zweiten Pullover stricken, diesmal einen graublauen, zum Wechseln, wenn der weiße gewaschen wurde. Natürlich nahm Auguste als wesentliches Mitglied der Familie groß an dem Weihnachtsfeste teil. Natürlich war Auguste auch das am meisten bewunderte Lebewesen des ganzen Stadtteils, wenn Peterle mit der Gans in ihrem schmucken Sweater spazieren ging.Und als der Frühling kam, war Auguste bereits wieder ein warmer Federflaum gewachsen. So konnte man den Pullover mit den anderen Wintersachen einmotten. Gustje aber durfte jetzt sogar beim Mittagstisch auf dem Schoß vom Peterle sitzen, wo sie ihr kleiner Freund mit Kartoffelstückchen fütterte.
Sie war der Liebling der ganzen Familie. Und Vater Löwenhaupt bemerkte immer wieder stolz: »Na, wer hat euch denn Auguste mitgebracht! Wer?«
Die Mutter sah ihn dann lächelnd an. Peterle jedoch echote: »Ja, wer hat Gustje uns mitgebracht«; und dabei sprang er gerührt auf und umarmte den Vater; dann hob er seine Gustje empor und ließ sie dem Vater »einen Kuss
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