In unsern Traeumen weihnachtet es schon
erlebt? Er weiß es nicht mehr. Sicher erinnert er sich nur an eines: Auf der Rampe ist Wacker mit dem Jagdwagen vorgefahren, sein braver Kutscher Wacker, genau wie sein Name. Johannsen will einsteigen, aber so ein Jagdwagen hat zwei höllisch steile Stufen, er schafft es nicht. Er lacht und nimmt einen Anlauf, er schafft es nicht. Die andern Herren lachen auch. Schließlich fassen ihn zwei bei den Armen. Sie geben ihm einen Schwung. Ja, er ist drin in seinem Wagen, aber …, er ist auch schon wieder draußen, auf der andern Seite, glatt durchgefallen, wie eine Kanonenkugel hindurchgefeuert.
Die Herren sind schrecklich bestürzt …, er hat sich doch nichts getan? Sie helfen ihm wieder, sie geben ihm wieder einen Schwung, o Gott, da ist die Lehne, ich muß mich festhalten. Wieder draußen! Nein, so geht es nicht. Ein anderer Wagen fährt vor, eine Strohschütte liegt darauf. Sie legenihn weich, gleich schläft er. Sie könnten Kühe vor diesen Kastenwagen spannen, er würde es gar nicht merken. Aber so sind sie nicht, sie nehmen Ochsen.
Es ist Nacht, als Johannsen aufwacht, ihm ist schrecklich schlecht. Und mit der Klarsichtigkeit der Verkaterten weiß er plötzlich: Sie haben ihn zum Narren gehabt, sie haben ihn nicht ohne Grund so angeprostet … Sie haben ihn nicht aus Versehen durch den Wagen geworfen. Das einzige, worin sie die Wahrheit gesagt haben, das war das mit der reizenden Frau. So ein sanftes kleines Wesen, und er solch ein roher Schuft …
Er liegt eine Weile still, es ist ganz dunkel. Sein Bett kommt ihm komisch vor … Ausgezogen ist er auch nicht … Hier schnarcht doch was … O Gott, ist ihm schlecht!
»Lini?« fragt er leise. Stille.
»Lini?« fragt er lauter.
»Liebe Lini?« Er tastet neben sich.
Er faßt in Stoppeln. Eine rauhe Stimme fragt: »Panje?« Licht wird es. Über ihn beugt sich Stachowiak. »Was zu trinken, Panje?«
Er liegt in der Kammer vom Stachu, beim Stachu.
Was ist noch zu erzählen? Max Johannsen ist ganz sanft und leise über den Hof in sein Haus gegangen. Er hat sich in sein Zimmer gesetzt und hat nachgedacht. Ziemlich lange Zeit hat er gehabt, dann war der Neujahrsmorgen da, und die Lini kam ins Zimmer.
Er hat Zeit gehabt zum Nachdenken. Um so besser ist es ihm geglückt, ihr ein neues Jahr zu wünschen, und mit »neues« hat er wahrscheinlich wirklich etwas Neues gemeint, was die meisten Gratulanten nicht behaupten können.
HERRN WENDRINERS JAHR FÄNGT GUT AN
Kurt Tucholsky
’n Morgen, Herr Freutel, warum sind Sie noch nicht da –? Ach so, hier is Keiner …! Skandal, halbzehne – immer ist man der erste im Büro! Ach, da sind Sie ja! Wo wahn Sie denn so lange? Draußen? Ich bezahl Sie nich für draußen – ich bezahl Sie für drin! Danke. Prost Neujahr. Ich Ihn auch. Was is mit John und Eliasberg? Sie, das muß mir heute noch raus – wir schreiben 1926 – das wird mir jetzt anders! Herein. Was wolln Sie? Prost Neujahr. Ja, ich weiß. Danke. Nein, weiter nichts. Den Mann wern wir bei nächster Gelegenheit rausschmeißen, Freutel – ich kann das Gesicht schon nicht mehr sehn. Werfen Sie die Tinte nich um! Herein. Prost Neujahr. Sie mir auch … ich Ihn auch. Ja. Danke. Freutel, riegeln Sie die Tür ab! – die Leute machen mich rein verrückt mit ihrem Prost Neujahr! Alle komm se am selben Tag damit! Der Kalender hängt schief. Freutel – ham Sie noch ’n Jammer von gestern? Da klinkt jemand an der Tür … Nein, lassen Se! Ach, Sie sinds, Kipper! Padong! Ich hab abgeriegelt, um ungestört ze arbeiten … Prost Neujahr. Danke. Gut amüsiert? Ihre Familie wohlauf? Ja? Na, das freut mich. Nehm Sie Platz! Danke, wir auch. Nehm Sie ’ne Zigarre? Ja, lieber Freund …! Ich hab Ihnen gesagt, sprechen Sie im nächsten Jahr vor, ich wer mein Möglichstes tun – gewiß. Was? Was? Bis übermorgen abend? Kipper, machen Sie Witze? Wo soll ich bis übermorgen abend fünfzehntausend hernehmen? In bar? Lieber Freund, bin ich Schacht –? Gehn Sie zu dem – der gibt Ihnen auch nichts, aber er ist wenigstens prima. Ende der Woche? Ausgeschlossen. Lieber Kipper, gedulden Sie sich – nu hörn Se, nehm Sie Vernunft an! Ich bitte Sie – was ist das für ’ne Einstellung !Hier, ham Sie heute den Artikel im Börsen-Courier gelesen? Sehr vernünftig; als ob er uns Beide hier sitzen sieht – der Mann sagt: Die wirtschaftspolitische Krise ist ein Problem … Sie wollen keine Artikel, Sie wollen Geld? Was meinen Sie, wie gern
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