Incarceron
Finn ruhen. »So, dies ist also der Junge, den du für Giles hältst«, sagte er an Claudia gewandt.
Diese funkelte ihn an. »Du solltest es doch wissen.«
Finn sah sich staunend und ungläubig um. Der Raum war so weiÃ, dass es ihm wehtat, und das GleiÃen der Lichter schmerzte in seinen Augen. Der Mann, in dem er Blaize wiedererkannte, lachte kurz auf und verschränkte seine Arme. »Im Grunde genommen spielt es gar keine Rolle, ob er es ist oder nicht. Nun hast du ihn hergeholt und wirst Giles aus ihm machen. Denn nur er steht jetzt noch zwischen dir und der Katastrophe.« Neugierig trat er näher an Finn heran. »Und was glaubst du, Gefangener? Was meinst du, wer du bist?«
Finn fühlte sich verdreckt und merkte, dass er zitterte. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass seine Haut mit einer dicken Schmutzschicht überzogen war und er in diesem sterilen Raum
entsetzlich stank. »Ich ⦠glaube, ich erinnere mich an die Verlobungâ¦Â«
»Bist du sicher? Oder könnte es nicht auch sein, dass dies Erinnerungen sind, die jemand anders hatte und die nun tief in dir vergraben sind? Gedankenfetzen, die in dem fremden Gewebe gespeichert waren, welches das Gefängnis für dich verwendet hat?« Er lieà sein kaltes Lächeln erstrahlen. »Zehn Jahre sind eine lange Zeit. Alles, woran ich mich erinnere, ist ein kleiner Junge.«
»Früher hätten wir die Wahrheit ans Licht bringen können«, sagte Claudia aufgebracht. »Vor der Zeit des Protokolls.«
»Ja.« Der Hüter wandte sich ihr zu. »Und dieses Problem werde ich nun dir überlassen.«
Finn sah, wie blass Claudia war, wie zornig. Sie sagte: »Mein ganzes Leben lang hast du mich glauben lassen, ich wäre deine Tochter. Und das war eine Lüge.«
»Nein.«
»Doch! Du hast mich ausgesucht, mich aufgezogen, mich geformt ⦠Das hast du mir selbst erzählt! Du hast dir eine Tochter erschaffen, die genau so sein sollte, wie du sie haben wolltest: fügsam und bereit zu heiraten, wen immer du dafür bestimmst. Was wäre danach mit mir geschehen? Hätte auch die arme Königin Claudia einen Unfall gehabt, sodass nur noch der Hüter als Regent übrig geblieben wäre? War das dein Plan?«
Ihr Vater suchte ihren Blick, und seine Augen waren klar und grau. »Selbst wenn das ursprünglich der Plan gewesen sein mag, dann hatte ich ihn längst verworfen, weil ich begonnen hatte, dich zu lieben.«
»Lügner!«
Jared mischte sich beschwichtigend ein: »Claudia, ich â¦Â« Aber der Hüter hob abwehrend die Hand.
»Nein, Meister, lasst es mich erklären. Ich habe dich ausgewählt,
Claudia, ja, und ich gebe offen zu, dass du für mich anfänglich nur ein Mittel zum Zweck warst. Ein schreiender Säugling, den ich so selten wie möglich zu Gesicht bekommen wollte. Aber als du heranwuchst, begann ich ⦠mich darauf zu freuen, dich zu sehen. Darauf, wie du vor mir einen Knicks machtest, mir deine Arbeit zeigtest und in meiner Gegenwart schüchtern wurdest. Du bist mir ans Herz gewachsen.«
Sie starrte ihn an und wollte all das nicht hören oder glauben. Sie wollte nicht, dass ihr Zorn abkühlte.
Der Hüter zuckte mit den Achseln. »Ich war kein guter Vater. Und das tut mir leid.«
Nun herrschte Schweigen zwischen ihnen, und das Hämmern gegen die Tür setzte wieder ein, dieses Mal noch lauter. Jared sagte drängend: »Es spielt keine groÃe Rolle, Sir, was Ihr getan habt und wer dieser Junge ist. Wir sind alle zum Sterben verurteilt, und es gibt jetzt keine Flucht mehr, es sei denn, wir alle gehen in das Gefängnis.«
Finn murmelte: »Ich muss zurück, um Attia zu holen.« Er streckte Claudia die Hand entgegen, um den anderen Schlüssel an sich zu nehmen, aber sie schüttelte ihren Kopf. »Nicht du. Ich werde zurückgehen.« Sie nahm ihm die Kopie des Schlüssels aus der Hand und verglich die beiden Kristalle. »Wer hat den hier gemacht?«
»Lord Calliston. Der Stahlwolf selbst.« Der Hüter starrte auf den Kristall. »Ich habe mich oft gefragt, ob die Gerüchte wahr sind und ob wirklich eine Nachbildung existiert, irgendwo in den Tiefen des Gefängnisses.«
Claudias Finger huschten zum Kontrollfeld, doch ihr Vater hielt sie auf. »Warte. Zuerst müssen wir für unsere eigene Sicherheit sorgen. Andernfalls ist es besser, wenn das Mädchen
Weitere Kostenlose Bücher