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Indigo (German Edition)

Indigo (German Edition)

Titel: Indigo (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens J. Setz
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Ich bin nicht von hier, ich bin hier nur auf Besuch. Kennt ihr die Stennitzers, da oben.
    Ich deutete ungefähr in die Richtung.
    – Scheiße, sagte einer der Jugendlichen und drehte seinen kahlrasierten Schädel auf theatralische Weise nach hinten.
    – Jetzt ist es wirklich passiert, sagte der andere.
    – Nein, nein, sagte ich und hob eine Hand. Nichts ist passiert. Ich war dort nur auf Besuch. Und da hat man mir erzählt, ihr seid die einzigen Freunde von Christoph.
    Das Mädchen griff nach dem Handgelenk eines der Burschen und zog sanft daran.
    – Es ist alles okay, sagte ich. Christoph geht’s gut.
    – Und, was gibt’s dann zu besprechen?, fragte der andere.
    – Gar nichts, ich wollte nur fragen, wie – 
    – Ach, die soll sich nicht dauernd so aufregen!, krähte der Erste mich an. Geht mir echt auf den Sack, schön langsam …
    – Die Frau Stennitzer?
    – Ja, die soll sich nicht einmischen.
    Ein lautes Geräusch hinter uns. Wir wichen dem Traktor aus, der in eigenartiger, die Gedanken wie ein Fiebertraum durcheinanderbringender Langsamkeit über die Brücke fuhr. An den riesigen Reifen klebte hellbrauner Schlamm.
    – Darf ich was fragen? Was hast du vorhin gemeint mit: Jetzt ist es wirklich passiert?
    Der Skinhead lachte, als hätte ich einen unglaublich obszönen Witz gemacht. Er fuhr mit seiner Hand unter sein Hemd, bildete dort eine Art Maul durch den Stoff und machte:
    – Angangangang!
    Er schnappte spielerisch nach mir und dem Mädchen. Es lachte ein wenig. Dann zog der Bursche ein Klappmesser und faltete es auf. Ich verspürte einen ungeheuren Drang, ihn k. o. zu schlagen und anschließend seinen kleinen, kompakten Glatzkopf zu beschriften.
    Der Bursche tippte auf dem Klappmesser herum, und ich sah, dass es gar kein Messer war, sondern ein MP 3 -Player. Ich schüttelte den Kopf und atmete einmal tief durch. Landluft. Traktorengeräusche. Ich bin im Hier und Jetzt.
    Leise Musik war zu hören. Ein Gekrächz und Geschrei, begleitet von E-Gitarren und einem Schlagzeug, das von einem riesigen Fuß durch einen Raum gekickt wurde.
    – Hab gar nichts gemeint, sagte der Bursche.
    – Wie lange kennt ihr Christoph schon?
    Wieder lachten sie. Das Mädchen klatschte in die Hände.
    – Was ist denn so witzig?
    – Du bist voll drauf, oder?, fragte der Junge mit dem MP 3 -Player.
    – Wo drauf?
    Sie lachten wieder.
    – Mit dem Christoph kann man gut Musik hören, sagte der andere Bursche, der bisher nicht viel geredet hatte. Außerdem geht’s mit der Musik. Oder?
    Seine Freunde stimmten ihm zu.
    – Mit der Musik geht es leichter?, fragte ich.
    Meine Stimme klang in der Tat etwas komisch. Die Jugendlichen schlugen sich auf die Schenkel vor Lachen.
    – Warte, ich schalte lauter. Armer Kerl, sagte der Bursche und drückte auf seinem MP 3 -Player herum.
    Obwohl es mir schwerfiel, in normaler Geschwindigkeit zu sprechen, erklärte ich den Jugendlichen, dass mich die Sache mit der Musik an eine Stelle aus dem Werk des großen französischen Insektenforschers Fabre erinnere, wo er einen eigenartigen Aberglauben kalabresischer Bauern beschreibt, nach welchem das Gift der Tarantel angeblich bei Frauen wilde Gliederzuckungen und unbezähmbare Tanzwut hervorruft. Als einziges Heilmittel gegen diesen sogenannten Tarantismus gelte Musik, so Fabre, sagte ich. Es gebe sogar eigene, besonders ins Ohr gehende Melodien, denen eine eindeutig heilsame Wirkung zugeschrieben wurde, und diese Melodien wären seit Jahrhunderten gesammelt und jeder Frau, die von einer Spinne gebissen wurde, auf Notenblättern ausgehändigt worden.
    Die beiden Glatzköpfe prusteten los und stießen einander an.
    – Scheiße, sagte der Schweigsamere der beiden. Der is so was von untendrunter …
    Das Mädchen schaute etwas betreten drein, nicht sicher, wie ich reagieren würde. Aber ich lachte mit ihnen, in diesem hellen,ungefährlichen Augenblick kurz vor meiner Abreise aus Gillingen, obwohl ich überhaupt nicht mehr wusste, worüber wir lachten und unter welchem Vorzeichen, Plus oder Minus.



8  Holodeck
    – Ja, die Übermacht amerikanischer Kultur und vor allem amerikanischer Fernsehserien, sagte Robert. Das nimmt alles total überhand. Schon seit gut fünfzig Jahren nimmt das überhand. Wenn ich male, sehe ich oft diese Wellen, wie bei alten Fernsehgeräten.
    – Überhand, wiederholte Elke. Woher kommt eigentlich dieses Wort? Über Hand …
    Sie hielt sich ihre eigenen Hände vors Gesicht und betrachtete

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