Infernal: Thriller (German Edition)
kann, meldet sich John zu Wort.
»Monsieur, Ihre Geschichte begann mit den Töchtern, nicht mit dem Vater. Mit den Fotografien. Und mit Christopher Wingate.«
De Becque sieht mich an. »Haben Sie sich wieder ein wenig gefangen?«
»Ja. Bitte erzählen Sie weiter.«
»Sie verstehen die Situation? Wingate hatte mich beleidigt. Er hatte mich betrogen. Deswegen lehrte ich ihn eine Lektion über die Konsequenzen eines gebrochenen Versprechens.«
»Ich verstehe.«
»Wingate hatte nichts aus dieser Geschichte gelernt. Vielleicht konnte er auch den Verlust nicht verkraften, den er in der Karibik gemacht hatte. Jedenfalls wollte er sich an mir rächen. Und er wollte, dass gewisse Leute erfuhren, dass er sich gerächt hatte. Aus diesem Grund unternahm er einen Versuch, mich so schwer zu treffen, wie es ihm nur möglich war. Das ist nicht so leicht, wie es vielleicht klingen mag. Ich habe keine Familie im herkömmlichen Sinn. Keine möglichen Geiseln, niemanden, den Wingate unter Druck setzen oder gegen mich hätte richten können. Ich bin Geschäftsmann, auf der ganzen Welt zu Hause, und ich bin nur schwer verwundbar. Wingate musste sehr lange suchen, bis er eine Schwäche gefunden hatte.«
»Ich glaube, ich weiß, wohin das führt«, sagt John.
»Möchten Sie, dass ich fortfahre?«
»Bitte«, sage ich und werfe John einen Blick zu, der ihn warnen soll, de Becque nicht mehr zu unterbrechen.
»Wingate kannte sich nicht nur mit Bildern aus. Er kannte sich auch mit Fotografie aus. Bei seinen Besuchen hier waren ihm die Vietnam-Bilder aufgefallen. Er ermutigte mich, Geschichten aus dieser Zeit zu erzählen. Ich gestehe, dass ich gern Geschichten erzähle, besonders nach ein paar Flaschen Wein. Ich weiß, wann ich den Mund zu halten habe, doch einige Geschichten waren völlig harmlos.«
Er seufzt voll Bedauern. »Ich hatte immer Bilder von Ihnen und Ihrer Schwester, auch Jonathans wegen. Ich zeigte sie ihm hin und wieder. Von Ihnen hatte ich ein neueres Bild, weil Sie berühmt sind. Jedenfalls, Wingate kannte Ihre Geschichte. Er wusste, wer Ihr Vater und dass Ihr Schicksal mir nicht gleichgültig war.«
»Nicht gleichgültig?«
»An einem seiner besseren Tage bat Ihr Vater darum, dass ich mich um Sie beide kümmere. Es war nicht lange vor seinem Tod. Sie waren damals fast erwachsen, und ich wusste nicht, dass Sie in finanziellen Schwierigkeiten steckten. Hätte ich es gewusst ... nun ja, was sind Worte jetzt noch wert? Nach Jonathans Tod fand ich heraus, dass Sie im Begriff standen, Karriere zu machen, doch Jane brauchte Geld für ihr Studium. Ich sorgte dafür, dass sie es bekam.«
Ich schüttle staunend den Kopf. »Ich habe nie begriffen, wieso sie plötzlich nicht mehr von mir abhängig war. Ich dachte, dass sie vielleicht ein Stipendium hatte oder sonst etwas.«
»Das hatte Jane, ganz bestimmt sogar.« De Becque lächelt. »Doch Ihre Schwester hatte auch ein wenig Hilfe von Onkel Marcel.«
»Wollen Sie damit sagen, dass Christopher Wingate Jane Lacour als Opfer ausgesucht hat, um Sie zu treffen?«, fragt John, außerstande, sich zu zügeln. »Ist das richtig?«
»Ich glaube, dass es so geschehen ist, ja. Wingate wusste nicht, wer der Künstler war, doch ich glaube, er wusste, aus welcher Gegend die Opfer stammten. Ich glaube, er hatte enge Verbindung mit einem von Wheatons Bekannten.«
»Conrad Hoffman«, sagt John.
»Vielleicht«, erwidert der Franzose. »Wie dem auch sei, auch ich hatte angenommen, dass die Frauen auf den Bildern aus der Gegend von New Orleans kamen.«
»Sie haben uns doch erzählt, Sie wüssten nicht ...«
»Ich hatte keinen Beweis «, sagt de Becque. »Lediglich die Vermutung eines alten Mannes. Doch ich war interessiert und habe die Zeitungen von New Orleans verfolgt und mithilfe von Kontakten in dieser Gegend mein Ohr am Puls des Geschehens gehalten. Ich vermutete, dass kurz nach der nächsten Entführung eine neue ›Schlafende Frau‹ auf den Markt kommen würde.«
»Jane war Opfer Nummer fünf«, sagt John kalt. »Und Sie haben bereits damals vermutet, dass Wingate damit zu tun hatte?«
De Becque wirkt plötzlich ernst. »Möchten Sie die Zeit mit einer weiteren nutzlosen philosophischen Debatte verschwenden? Ich versichere Ihnen, wir Franzosen lieben nichts mehr auf dieser Welt.«
»Nein«, werfe ich ein. »Erzählen Sie uns einfach, was Sie wissen.«
»Wie Sie wünschen. Ich denke, es geschah folgendermaßen. Wingate war auf der Suche nach einer Möglichkeit, wie er sich an
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