Infernal: Thriller (German Edition)
ich steigen gemeinsam die Stufen hinauf, Hand in Hand. Nach vielen Diskussionen kamen wir zu der Entscheidung, dass es so am besten wäre. Nicht zuerst anzurufen. Nicht versuchen, alles zu erklären. Warum sollten wir Marc oder die Kinder eine Stunde oder auch nur eine Minute verwirrt und aufgeregt warten lassen? Und warum soll Marc sie zuerst sehen, wenn es doch ohne jeden Zweifel die Kinder sind, die ihre Mutter am allermeisten vermissen?
Hinter uns am Straßenrand wartet John im Wagen. Es ist nicht mein gemieteter Mustang, sondern eine FBI-Limousine, damit wir alle bequem Platz haben. Ich sehe zu John zurück, dann hebe ich die Hand, um an die Tür zu klopfen, doch Jane unterbricht mich mit einer leichten Berührung an der Schulter.
»Was ist?«, frage ich. »Alles in Ordnung mit dir?«
Sie weint. »Ich hätte niemals geglaubt, dass ich eines Tages wieder hier stehen würde. Ich kann gar nicht glauben, dass meine Kleinen da drin sind.«
»Sind sie aber.« Ich weiß es, weil ein FBI-Agent, der draußen auf der Straße postiert ist, uns informiert hat, wann Marc nach Hause gekommen ist. Marc ist da, die Kinder sind da, und auch Annabelle, das Hausmädchen. Ich nehme Janes Hand. »Denk nicht so viel nach. Genieße jeden Augenblick. Du weißt gar nicht, wie gesegnet du bist.«
Ich will noch mehr sagen, doch dann schweige ich. Es würde nur neue Schuldgefühle in ihr auslösen, wenn ich sie jetzt daran erinnere, dass elf andere Frauen nie wieder zu ihren Familien zurückkehren werden, und ich kenne dieses Schuldgefühl des Überlebenden nur zu gut. Stattdessen lege ich den Arm um ihre Hüfte und halte sie.
»Also los.«
Ich klopfe laut, und wir warten.
Einige Sekunden später tappen Schritte durch die riesige Halle und bleiben hinter der Tür stehen. Der Knauf dreht sich, und die mächtige Tür wird geöffnet. Dahinter kommt Annabelle in ihrer schwarz-weißen Uniform zum Vorschein.
Die alte dunkelhäutige Frau will mich begrüßen, doch dann erstarrt sie mit aufgerissenem Mund. Ihre Hand fliegt nach oben, dann stoppt sie und beginnt zu zittern. »Sind Sie ... sind Sie ...?«
»Ich bin es, Annabelle«, antwortet Jane langsam mit bebender Stimme.
»Gütiger Jesus! Kommen Sie herein, Missy!«
Sie zieht Jane in ihre Arme und drückt sie fest an sich. »Mr Lacour weiß nichts?«
»Nein. Wir hielten es für besser, wenn er und die Kinder Jordan und mich beieinander sehen. Dann wissen sie, dass sie ihren Augen trauen können.«
Annabelle nickt mit fassungslosem Staunen. »Ich würde es selbst nicht glauben, wenn ich es nicht mit eigenen Augen sehen würde.«
Langsam löst sich Jane aus ihrer Umklammerung. »Wo sind die Kinder, Annabelle?«
»In der Küche. Sie warten auf das Abendessen.«
»Wie geht es ihnen?«
Die alte Frau will zu einer Antwort ansetzen, doch stattdessen presst sie die Augen gegen die Tränen zusammen. »Nicht gut. Aber jetzt kommt alles wieder in Ordnung. Ja, o Herr im Himmel! Was soll ich tun, Missy?«
»Wo ist Marc?«
»In seinem Arbeitszimmer.«
»Gehen wir in die Küche.«
Annabelle nimmt Jane bei der Hand und führt sie durch die Halle. Der lange, breite Korridor erinnert mich an Wheatons Mordhaus, nur ein paar Blocks von hier entfernt, und ich beschleunige meine Schritte, um nicht hinter den beiden Frauen zurückzubleiben. Jane sieht sich zu mir um und winkt mich zu sich. Sie weiß, dass die Kinder uns nebeneinander sehen müssen, um es zu begreifen.
An der Küchentür halten wir inne, und Jane flüstert Annabelle etwas zu. Das Hausmädchen nickt und geht vor uns hinein. Henry fragt mit neugierig hoher Stimme, wer an der Tür war, und Annabelle antwortet so aufgeregt, dass sie sich kaum beherrschen kann.
»Ihr Kinder schließt jetzt mal schön die Augen.«
»Warum?«, fragen beide gleichzeitig.
»Eure Tante Jordan hat euch ein ganz besonderes Geschenk mitgebracht.«
»Tante Jordan ist gekommen?«, fragt Lyn, und die Hoffnung in ihrer Stimme bricht mir das Herz.
»Ihr sollt die Augen zumachen!«, wiederholt Annabelle. »So ein Geschenk kriegt ihr in eurem ganzen Leben nicht wieder. Keiner von euch beiden!«
»Sie sind zu!«, kreischen die hellen Stimmchen. »Tante Jordan?«
Als Jane meine Hand nimmt, spüre ich, wie sie zittert. Ich sehe ihr in die Augen, sie nickt, und gemeinsam treten wir durch die Tür.
Henry und Lyn stehen nebeneinander, der Tür zugewandt, die Hände fest auf den Augen.
»Tante Jordan?«, fragt Lyn erneut und spreizt die Finger, um
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