Infernal: Thriller (German Edition)
Anwesen in North Bay zu bringen.
Li öffnet uns die Tür. Sie strahlt die gleiche selbstsichere Würde aus wie bei unserem ersten Besuch.
»Mademoiselle«, sagt sie und neigt leicht den Kopf. »Monsieur. Hier entlang.«
Diesmal werden wir nicht durchsucht. John trägt zwei Dienstwaffen am Körper, und der Gouverneur weiß das. De Becque weiß es ebenfalls, doch er hat keine Einwände geäußert.
Li führt uns in den großen Raum auf der Rückseite der Villa, mit der Fensterfront, die hinauszeigt auf den Hafen. Genau wie zuvor steht der gebräunte, silberhaarige Exilant in einer Ecke des Zimmers und starrt hinaus auf das Meer wie ein Mann mit einer unstillbaren Sehnsucht.
»Mademoiselle Glass«, verkündet Li unser Eintreffen, bevor sie sich lautlos zurückzieht.
De Becque wendet sich zu uns um und nickt mit höfischer Eleganz. »Ich bin froh, dass Sie kommen konnten, chérie . Bitte entschuldigen Sie, dass Sie so weit reisen mussten, doch die rechtlichen Umstände gestatten mir nicht, zu Ihnen zu kommen.« Er tritt uns einen Schritt entgegen, doch dann zögert er. »Ich werde Ihnen Dinge erzählen, die Sie wissen müssen. Um meinet- und Ihretwillen.« Er bedeutet uns, näher zu treten. » S’il vous plaît – treten Sie ein. Bitte.«
John und ich gehen zu dem Sofa, auf dem wir weniger als eine Woche zuvor Seite an Seite gesessen haben. De Becque bleibt stehen. Er scheint sich unbehaglich zu fühlen, und er wandert auf und ab, während er spricht.
»Zuerst die Angelegenheit der ›Schlafenden Frauen‹. Ich möchte Ihnen versichern, dass ich zu keiner Zeit die Identität des Künstlers oder seines Komplizen kannte. Ich kannte Christopher Wingate, den Kunsthändler, und was ich zu sagen habe, betrifft ihn. Wie Sie wissen, erstand ich die ersten fünf ›Schlafenden Frauen‹, die er zum Kauf anbot. Das sechste Gemälde hatte er mir ebenfalls versprochen, und ich leistete eine Anzahlung darauf. Doch dann legte Wingate mich aufs Kreuz. Er verkaufte das Gemälde an Hodai Takagi, einen japanischen Sammler, obwohl er wusste, dass ich Takagis Gebot auf jeden Fall überboten hätte.«
»Warum hat er das getan?«, frage ich.
»Um neue Märkte zu öffnen«, antwortet John für de Becque. »Richtig?«
»Ganz recht«, antwortet der Exilant. »Kunsthandel ist schließlich ein Geschäft wie jedes andere auch. Doch dieses Gemälde war mir versprochen worden, und ich war wütend. Ich bin kein Mann, der über Unrecht brütet und alles in sich hineinfrisst. Ich bin nicht, was ein Psychiater ›passiv ...‹, Verzeihung, wie lautet der Ausdruck?«
»Passiv aggressiv?«, helfe ich aus.
» Oui . Rein zufällig wusste ich, dass Wingate finanziell stark an einem Entwicklungsprojekt auf den Virgin Islands beteiligt war. Ich machte ein paar Anrufe, und schon nach sehr kurzer Zeit fand Monsieur Wingate heraus, dass sein Geld sehr schlecht angelegt war. Er verlor sein gesamtes Kapital. Langweile ich Sie, Agent Kaiser?«
»Ganz im Gegenteil, ich bin äußerst gespannt.«
Der Franzose nickt und blinzelt mit den Lidern. »Wingate war außer sich darüber und sann auf Rache. Ich muss erwähnen, dass Wingate mich bei drei früheren Gelegenheiten hier auf meinem Besitz besucht hat. Ich hatte ihn mehrere Tage zu Gast, und er erfuhr ein wenig aus meinem Leben. Er saß hier in diesem Zimmer, und er hat viele Dinge gesehen, darunter auch gewisse Fotografien.« De Becque winkt zu der Wand, an der seine Sammlung von Vietnam-Fotos hängt. »Sie haben die Aufnahmen ebenfalls gesehen. Einige jedenfalls.«
Er geht zu der Wand und nimmt zwei Schwarzweißbilder herunter. Während er damit zu uns zurückkehrt, betrachtet er die Aufnahmen ununterbrochen. »Diese beiden hingen während Ihres ersten Besuchs nicht dort. Vielleicht möchten Sie nun einen Blick darauf werfen?«
Dunkle Vorahnung erfüllt mich, als ich die Rahmen entgegennehme. Das erste Bild zeigt mich: mein Standardporträt für Bibliografien und Berichte. Das zweite Bild zeigt Jane; es ist ihr Abschlussfoto von der Ole Miss. Mein Herz beginnt heftig zu hämmern.
»Was haben diese Bilder bei Ihnen zu suchen?«
Endlich nimmt de Becque auf dem Sofa uns gegenüber Platz. »Das werde ich Ihnen erklären, Jordan.« Da ist es wieder, dieses weiche »J«. »Wegen der Umstände unseres letzten Treffens konnte ich Ihnen einige Dinge nicht sagen. Heute hat sich die Lage geändert. Sie sollen wissen, dass ich Ihren Vater sehr viel besser kannte, als ich Sie glauben machte. Doch ich denke,
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