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Inferno - Höllensturz

Inferno - Höllensturz

Titel: Inferno - Höllensturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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merkwürdige schwarze Gerät summte schwach, denn es war randvoll mit irgendeiner okkulten Energie. Aus den beiden Linsen ragten zwei riesige, blutunterlaufene Augen heraus. Verdammt, das ist mal ein Fernglas! , dachte Cassie.
    »Mit dem Ding kann man kilometerweit sehen. Das ist ein Ophit-Sichtglas, die Augen eines Gargoyles aufgeladen mit Blutmagie. Die Gargoyles sind Satans Wachen; deshalb kriechen sie überall auf dem Mephisto-Turm herum – sie halten Ausschau nach Eindringlingen. Sie sehen sehr gut.«
    Die faszinierende Verquickung von Technologie und Okkultismus beeindruckte Cassie nicht besonders. Sie hob das Fernglas zögerlich an die Augen und sah hindurch auf das Dach des Mephisto-Turms. Sie hat Recht, da oben geht etwas vor … Sie konnte Dämonen bei der Arbeit sehen, eine Art Bauarbeitertruppe. Brummende Kräne platzierten reihenweise glänzend grünliche Pfeiler um den Schutzwall des Daches herum.
    »Was sind das für Pfeiler?«
    »Sockel aus Jaspis. Jeder Edelstein, der innerhalb der Vier Tore des Himmels existiert, hat hier unten eine entgegengesetzte Kraft. Falls du es noch nicht weißt – und falls du die Offenbarung des Göttlichen Johannes nicht gelesen hast: Die Außenwand des Himmels ist aus Jaspis gemacht. In der Hölle haben Symbole dieselbe Art von Kraft wie ein Elektrogenerator in der Welt der Lebenden. Das Symbol für etwas Heiliges im Himmel – wie der Jaspis – kann in der Hölle als Sakrileg verwendet werden. Das Heilige wird unheilig. Kapiert?«
    »Nein«, sagte Cassie, den Blick immer noch auf die makabre Dachkonstruktion gerichtet.
    »Luzifer kocht stets neue Pläne aus. Die räumlichen Verschmelzungen, dich, die Transposition, die neulich in der Bibliothek in Maryland stattfand. Und jetzt das hier, die Jaspisdolmen. Das können sehr gefährliche Reliquien der Macht werden.«
    Cassie verstand das alles nicht, und sie wollte eigentlich auch gar nichts verstehen. Sie setzte das abstoßende blinkende Fernglas ab. »Ist mir völlig egal, ob er da oben eine Tupperparty abhält – wir gehen auf gar keinen Fall in den Mephisto-Turm.«
    »Nein, jetzt nicht. Aber später …«
    »Viel Spaß dabei«, schnaubte Cassie. »Aber ohne mich.«
    »Beruhige dich. Jetzt gehen wir erst mal nur in den Zoo.« Angeleses weißes, um ihren Kopf wirbelndes Haar sah beinahe aus wie eine Gloriole. »Aber in diesem Zoo gibt es keine Giraffen und Koalabären.«
    Cassie seufzte resigniert. Nicht, dass sie es anders erwartet hätte.
    Der Wind kam jetzt von vorn, und der Port flog langsamer und immer niedriger. Die Hölle war voller abscheulicher Gerüche, aber das hier war der Gipfel. Fäulnis, Eingeweide, verdorbenes Fleisch und Körperschweiß, der seit Jahrhunderten nicht abgewaschen worden war. Eine gewundene Gasse war von Käfigen gesäumt; Cassie sah hochrangige Dämonen, Menschen und andere Mitglieder der mephistopolischen Elite von Käfig zu Käfig wandern. Der Nektoport raste viel zu schnell durch die Gasse, als dass Cassie Einzelheiten der eingesperrten Kreaturen hätte erkennen können, und dafür war sie dankbar. Vor einem Käfig kreischten einige gut gekleidete Dämonenhalbwüchsige herum, während sie mit spitzen Stöcken durch die Gitterstäbe stießen. Jeder Stoß wurde mit einem donnernden Gebrüll quittiert.
    »Da vorne sind sie.« Angelese blickte nun angestrengt hinunter.
    »Wer?«
    »Die Verliese.«
    »Die …« Hinter der nächsten Kurve veränderte sich die Einrichtung der Anlage. Hier blickten alle infernalen Besucher nicht nach oben in Käfige, sondern nach unten.
    In Gruben.
    Eigentlich waren es in den Boden eingelassene Betonzellen, jede von einem Eisengitter bedeckt. Und in jeder Zelle, in eine Ecke gekauert oder zornig oder entsetzt nach oben blickend, gab es ein »Ausstellungsstück«. Die meisten waren Flüchtlinge unterschiedlicher Spezies – viele davon Menschen. Das hier war weniger ein Zoo als vielmehr ein Ausstellungsgelände für Häretiker und politische Gefangene. Manchen von ihnen hatte man Arme und Beine abgeschnitten, andere waren gehäutet oder verstümmelt worden, wieder andere mit Krankheiten infiziert, die extra dafür erfunden worden waren, um die Schockwirkung ihres Anblicks zu erhöhen. Doch nicht alle Verurteilten waren Kriminelle. Immerhin ging es auch ums Geschäft, und visueller Horror war nun mal gefragt. Es gab auch Zellenbewohner, die Unfälle aus den Teratologischen Instituten und misslungene Experimente aus der Akademie für Transfiguration waren:

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