Inferno
bewusst wurde.
»Ich fürchte, ich habe noch mehr schlechte Neuigkeiten«, meldete sich Langdon zu Wort. »Das vergoldete Mouseion der Heiligen Weisheit.« Er zögerte. »Sienna weiß, wo es ist. Sie weiß , wohin wir gehen.«
»Was?«, rief Sinskey erschrocken. »Sie haben doch gesagt, Sie hätten keine Gelegenheit mehr gehabt, Sienna zu erzählen, was Sie herausgefunden haben? Ich dachte, Sie hätten ihr nur verraten, dass Sie im falschen Land sind.«
»Das stimmt«, bestätigte Langdon. »Aber sie wusste, dass wir nach dem Grab von Enrico Dandolo suchen. Ein Blick ins Netz reicht, und sie weiß, wo das ist. Und wenn sie Dandolos Grab erst gefunden hat … dann kann dieser wasserlösliche Behälter nicht mehr weit entfernt sein. In dem Gedicht heißt es, man soll dem Geräusch tropfenden Wassers zum Versunkenen Palast folgen.«
»Verdammt!«, platzte Brüder heraus, und er stürmte davon.
»Sie kann nicht vor uns dort sein«, sagte der Provost. »Wir haben einen Vorsprung.«
Sinskey seufzte. »Da wäre ich mir nicht so sicher. Unser Transportflugzeug ist nicht gerade schnell, und Sienna Brooks ist äußerst einfallsreich.«
Als die Mendacium anlegte, starrte Langdon nervös zu der schwerfälligen C-130 auf dem Rollfeld. In seinen Augen wirkte sie plump und schwerfällig, und sie hatte keine Fenster. In dem Ding war ich schon mal? Langdon erinnerte sich an nichts.
Er wusste nicht, ob es am Schaukeln der anlegenden Yacht lag, an seiner Angst vor dem fensterlosen Flugzeug oder seiner Amnesie – doch ihm wurde plötzlich furchtbar schlecht.
Er drehte sich zu Sinskey um. »Ich glaube, ich bin nicht in der Verfassung für einen Flug.«
»Ihnen fehlt nichts«, erwiderte Sinskey. »Aber ich verstehe schon. Sie haben heute eine Menge durchgemacht, und in ihrem Kreislauf sind noch all die Toxine …«
»Toxine?« Langdon wich einen Schritt zurück. »Was für Toxine?«
Sinskey wich seinem Blick aus. Offenbar hatte sie sich verplappert. »Es tut mir leid, Professor. Ich habe eben erfahren, dass Sie unter mehr leiden als einer einfachen Kopfverletzung.«
Angst stieg in Langdon auf, und vor seinem geistigen Auge sah er wieder Ferris’ Zusammenbruch im Markusdom. Seine verfärbte Brust.
»Was stimmt denn nicht mit mir?«
Sinskey zögerte, als wisse sie nicht so recht, was sie antworten sollte. »Sehen wir erst einmal zu, dass wir Sie ins Flugzeug bekommen.«
KAPITEL 81
Östlich der spektakulären Frarikirche liegt das Atelier Pietro Longhi, das schon seit je zu den bedeutendsten Kostümschneidereien Venedigs zählt. Hier gibt es historische Kostüme aus allen Epochen, Perücken und Accessoires. Zur langen Kundenliste gehören Filmgesellschaften, verschiedene Theater und einflussreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die sich hier für die extravagantesten Karnevalsbälle einkleiden.
Der Verkäufer wollte den Laden soeben für den Tag schließen, als die Glocke der Eingangstür läutete. Er hob den Blick und sah eine attraktive Frau mit blondem Pferdeschwanz. Sie war vollkommen außer Atem, als wäre sie meilenweit gerannt, und ihre braunen Augen funkelten wild und verzweifelt.
»Ich will mit Giorgio Venci sprechen«, keuchte sie.
Wollen wir das nicht alle? , dachte der Verkäufer. Aber das große Genie bekommt niemand zu sehen .
Giorgio Venci, der Chefdesigner des Ateliers, ließ seine Magie stets hinter den Kulissen wirken. Nur selten sprach er mit Kunden und nie ohne vorherige Anmeldung. Giorgio war wohlhabend und einflussreich, und so nahm ihm niemand seine Eigenheiten übel, auch nicht sein Bedürfnis nach Zurückgezogenheit. Er aß allein, flog allein, und ständig beschwerte er sich über die wachsende Zahl an Touristen in Venedig.
»Tut mir leid«, sagte der Verkäufer und setzte ein einstudiertes Lächeln auf. »Ich fürchte, Signore Venci ist nicht hier. Kann ich Ihnen vielleicht behilflich sein?«
»Giorgio ist hier«, widersprach die Frau selbstbewusst. »Er ist oben in seiner Wohnung. Ich habe Licht bei ihm gesehen. Ich bin eine Freundin. Das ist ein Notfall.«
Die Frau wirkte äußerst angespannt. Eine Freundin? Das behauptest du . »Wen darf ich ihm denn melden?«
Die Frau nahm ein Blatt Papier vom Tresen und kritzelte einige Buchstaben und Zahlen darauf.
»Geben Sie ihm das einfach«, sagte sie und reichte dem Verkäufer das Blatt. »Und bitte, beeilen Sie sich. Ich habe nicht viel Zeit.«
Zögernd stieg der Mann die Treppe hinauf, betrat den dahinterliegenden Raum und
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