Inferno
fuhr der Provost fort. »Deshalb hat er sich auch Florenz als Versteck ausgesucht. Meine Organisation hat ihn mit allem versorgt: mit einem Geheimlabor in seiner Wohnung, mehreren Decknamen sowie den dazugehörigen Papieren und sicheren Kommunikationsmitteln. Zobrist brauchte weder eigene Kreditkarten, noch trat er öffentlich in Erscheinung. Er war unmöglich aufzuspüren. Wir haben ihm sogar Verkleidungen besorgt, damit er unerkannt reisen konnte.« Er zögerte. »Das hat er offenbar auch getan, als er diesen Plastikbeutel deponiert hat.«
Sinskey atmete tief durch. Sie bemühte sich gar nicht erst, ihre Frustration zu verbergen. »Seit einem Jahr versucht die WHO , ihn zu finden. Er war wie vom Erdboden verschluckt.«
»Er hat sich sogar vor Sienna versteckt«, sagte der Provost.
»Was?« Langdon hob den Blick. »Haben Sie nicht eben gesagt, die beiden seien ein Liebespaar gewesen?«
»Waren sie auch, aber als er untertauchte, beendete er die Beziehung zu ihr. Sienna war zwar diejenige, die ihn uns empfohlen hat, aber den Vertrag habe ich nur mit Zobrist abgeschlossen. Unsere Vereinbarung garantierte ihm absolute Abschirmung. Niemand sollte ihn mehr finden können, Sienna eingeschlossen. Nach seinem Abtauchen hat er ihr offenbar einen Abschiedsbrief geschrieben und ihr darin mitgeteilt, er leide unter einer unheilbaren Krankheit und hätte kein Jahr mehr zu leben. Er wollte, dass sie ihn so im Gedächtnis behält, wie er war.«
Zobrist hat Sienna sitzengelassen?
»Sienna hat versucht, mich zu kontaktieren«, sagte der Provost. »Ich habe ihre Anrufe abgewiesen. Ich musste die Wünsche meines Klienten respektieren.«
»Vor zwei Wochen«, berichtete Sinskey, »hat Zobrist in einer Florenzer Bank ein anonymes Schließfach eingerichtet. Kurz darauf wurde eines unserer Teams vor Ort alarmiert. Die neue Gesichtserkennungssoftware im Überwachungssystem der Bank hatte den verkleideten Mann als Bertrand Zobrist identifiziert. Daraufhin schickte ich Brüders Team nach Florenz. Es dauerte eine Woche, Zobrists Unterschlupf zu finden, doch er hatte ihn bereits aufgegeben. Wir fanden Beweise dafür, dass er an einem hochansteckenden Pathogen arbeitete, das er anderswo versteckt haben musste.«
Sinskey sah Langdon an. »Wir haben verzweifelt versucht, ihn zu finden. Am nächsten Morgen, kurz vor Sonnenaufgang, entdeckten wir ihn dann am Arno und nahmen sofort die Verfolgung auf. Er ist schließlich auf den Badia-Turm geflohen und in den Tod gesprungen.«
»Das hatte er vielleicht ohnehin vor«, warf der Provost ein. »Er war fest davon überzeugt, dass er nicht mehr lange zu leben hatte.«
»Wie es aussieht«, fuhr Sinskey fort, »hat auch Sienna nach ihm gesucht. Irgendwie hat sie herausgefunden, dass wir nach Florenz gekommen sind, und sich an unsere Fersen geheftet – in der Hoffnung, wir könnten sie zu ihm führen. Tragischerweise ist sie genau in dem Moment aufgetaucht, als Zobrist gesprungen ist.« Sinskey seufzte. »Es muss traumatisch für sie gewesen sein, ihren Geliebten und Mentor in den Tod stürzen zu sehen.«
Übelkeit stieg in Langdon auf. Er war kaum imstande zu verarbeiten, was man ihm da erzählte. Sienna war der einzige Mensch in diesem ganzen Durcheinander gewesen, dem er vertraut hatte. Und jetzt sagten ihm diese Leute, dass sie nicht die war, für die er sie gehalten hatte. Doch ganz gleich, was sie sagten, Langdon wollte nicht glauben, dass Sienna Zobrists Plan toleriert hatte, eine tödliche Krankheit auf die Menschheit loszulassen.
Oder?
Würden Sie die Hälfte der Weltbevölkerung töten, um unsere Spezies vor dem Aussterben zu bewahren?, hatte Sienna ihn gefragt.
Langdon lief ein Schauer über den Rücken.
»Nach Zobrists Tod«, erklärte Sinskey, »habe ich meinen Einfluss geltend gemacht und die Bank gezwungen, Zobrists Schließfach zu öffnen, das ironischerweise einen an mich adressierten Brief enthielt … zusammen mit einem seltsamen, kleinen Gerät.«
»Der Miniaturprojektor«, vermutete Langdon.
»Genau. In Zobrists Brief stand, ich solle die Erste sein, die seinen Ground Zero sieht, aber ohne die Karte der Hölle würde niemand diesen Ort finden.«
Langdon rief sich das modifizierte Botticelli-Gemälde ins Gedächtnis zurück, das der winzige Projektor ihm gezeigt hatte.
Der Provost räusperte sich. »Zobrist hatte mich angewiesen, den Inhalt des Bankschließfachs an Dr. Sinskey zu überstellen, aber erst morgen Früh . Aber da Dr. Sinskey eher in den Besitz des
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