Inferno
weiter als die winzige Mutation eines Regulator-Gens auf Chromosom 7 verursacht.
Inzwischen gab es die ersten Behandlungsmethoden gegen diese genetisch bedingten Krankheiten – rudimentäre virale Vektoren, die dem Patienten injiziert wurden. Es waren nicht-ansteckende programmierte Viren, die durch den Körper des Erkrankten wanderten und in den betroffenen Zellen eine Ersatz- DNS installierten, um auf diese Weise die beschädigten oder mutierten Sektionen zu reparieren. Wie jede neue Wissenschaft hatte auch diese eine dunkle Seite. Die Wirkung eines viralen Vektors konnte genauso gut destruktiv sein, je nach Intention desjenigen, der ihn entwickelt hatte. Wenn ein viraler Vektor so programmiert wurde, dass er schadhafte DNS in gesunde Zellen einsetzte, dann waren die Folgen furchtbar. Und wenn es jemandem gelang, diesen destruktiven Vektor irgendwie kontagiös zu machen oder gar zu aerosolieren …
Die Vorstellung ließ Sinskey erschauern. Welche genetischen Gräuel hat sich Zobrist ausgedacht? Wie stellt er sich die Ausdünnung der Massen vor?
Sie wusste, es konnte Wochen dauern, die Antworten zu finden. Der genetische Code des Menschen bestand aus einem scheinbar endlosen Wirrwarr chemischer Permutationen. Die Aussicht, den gesamten Code nach Zobrists spezieller Mutation absuchen zu müssen, ähnelte der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen – und zwar ohne zu wissen, auf welchem Planeten dieser Heuhaufen stand.
»Elizabeth?« Langdons tiefe Stimme riss Sinskey aus den Gedanken.
Sie wandte sich vom Fenster ab und sah ihn an.
»Haben Sie mir zugehört?«, fragte er in ruhigem Ton. »Sienna Brooks wollte Zobrists Werk ebenso vernichten wie Sie.«
»Das wage ich ernsthaft zu bezweifeln.«
Langdon atmete durch und erhob sich. »Ich denke wirklich, Sie sollten mich anhören. Kurz vor seinem Tod schrieb Zobrist einen Brief an Sienna, in dem er ihr verriet, was er getan hatte. Er schilderte ihr genau, was sein viraler Vektor bewirken würde. Sie weiß, wie Zobrist uns infizieren und sein Ziel erreichen wollte.«
Sinskey erstarrte. Es gibt einen Brief?
»Als Sienna las, was er erschaffen hatte, war sie entsetzt. Sie wollte ihn stoppen. Sie hielt sein Werk für extrem gefährlich und wollte unbedingt verhindern, dass es einem Dritten in die Hände fiel … einschließlich der WHO . Verstehen Sie nicht? Sienna Brooks hat versucht, diesen Vektor zu vernichten, und nicht, ihn freizusetzen.«
»Er schrieb ihr einen Brief?«, fragte Sinskey, als hätte sie Langdons letzte Worte nicht mehr gehört. »Mit Details ?«
»Das hat Sienna gesagt, ja.«
»Wir brauchen diesen Brief! Nähere Einzelheiten könnten uns Monate ersparen bei unseren Bemühungen zu verstehen, was das für ein Ding ist und wie wir es handhaben müssen.«
Langdon schüttelte den Kopf. »Verstehen Sie nicht? Als Sienna Brooks Zobrists Brief las, war sie entsetzt . Sie vernichtete ihn auf der Stelle. Sie wollte sichergehen, dass niemand …«
Sinskey schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Sie hat den Brief vernichtet? Den einzigen Hinweis, der uns bei der Vorbereitung auf diese Krise helfen könnte? Und Sie verlangen von mir, dass ich ihr vertraue?«
»Ich weiß, es ist schwer, insbesondere in Anbetracht ihres Verhaltens. Aber ehe Sie Sienna Brooks verurteilen, rufen Sie sich noch einmal ins Gedächtnis, dass sie über einen einzigartigen Intellekt verfügt. Und dazu gehört auch ihr atemberaubendes Erinnerungsvermögen.« Langdon zögerte. »Was, wenn sie noch genug Details aus Zobrists Brief weiß, um Ihnen zu helfen?«
Sinskey kniff die Augen zusammen und nickte unmerklich. »Nun gut, Professor … was schlagen Sie vor?«
Langdon deutete auf ihre leere Kaffeetasse. »Zunächst einmal sollten Sie sich noch mehr davon bringen lassen. Dann nenne ich Ihnen die eine Bedingung, die Sienna stellt.«
Sinskeys Puls ging schneller, und ihr Blick wanderte zum Telefon. »Sie wissen, wie Sie sie erreichen können?«
»Ja.«
»Nennen Sie mir die Bedingung.«
Langdon antwortete, und Sinskey schwieg, während sie über den Vorschlag nachdachte.
»Ich denke, es ist das Richtige«, fügte Langdon hinzu. »Außerdem – was haben Sie zu verlieren?«
»Wenn das, was Sie sagen, der Wahrheit entspricht, dann haben Sie mein Wort.« Sinskey schob Langdon das Telefon hin. »Bitte rufen Sie Miss Brooks an.«
Zu Sinskeys Überraschung ignorierte Langdon das Telefon. Stattdessen entschuldigte er sich für eine Minute, erhob sich und ging zur
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