Inferno
über ihre Köpfe hinweg auf die Piazza Pitti vor dem Palast.
Der Platz vor dem Eingang war genauso abweisend und langweilig, wie Langdon ihn in Erinnerung hatte. Er bestand nicht aus einem hübsch gestalteten Garten mit gepflegtem Rasen, sondern aus einer großen gepflasterten Fläche, die sich den Hang hinab bis zur Straße erstreckte wie eine breite Skipiste für Anfänger.
Am Fuß des Hügels erblickte Langdon den Grund für die Menge aus Schaulustigen.
Ein halbes Dutzend Streifenwagen war aus allen Richtungen herangejagt, und eine kleine Armee von Beamten schwärmte mit gezückten Waffen über die gesamte Breite des Platzes aus und rückte zum Eingang vor.
KAPITEL 27
Als die Polizei den Palazzo Pitti betrat, hatten Langdon und Sienna bereits den Rückzug angetreten. Sie eilten durch den Cortile und vorbei am Café, wo es inzwischen laut geworden war, als neugierige Touristen die Ursache für die ganze Aufregung zu ergründen suchten.
Sienna war überrascht, dass die Behörden sie so schnell aufgespürt hatten. Die Drohne ist offensichtlich verschwunden, weil sie uns schon entdeckt hatte.
Sie fanden den schmalen Tunnel, durch den sie vom Park in den Palast gekommen waren, und rannten ohne Zögern hindurch und die Treppe hinauf. Die Treppe führte nach links an einer hohen Stützmauer vorbei, an deren Ende Langdon und Sienna über die Brüstung hinweg nach draußen in den riesigen Park sehen konnten.
Langdon packte Sienna am Arm und riss sie zurück in die Deckung der Mauer. Sienna hatte es ebenfalls bemerkt.
Dreihundert Meter entfernt auf dem Hang oberhalb des Amphitheaters bewegte sich eine Phalanx von Polizeibeamten auf das Schloss zu. Sie suchten in Büschen und Gehölzen, befragten Touristen und tauschten sich währenddessen miteinander über Funk aus.
Wir sitzen in der Falle!
Sienna hätte nie für möglich gehalten, dass ihre Begegnung mit Langdon zu einer Situation wie dieser führen könnte.
Als sie mit ihm zusammen aus dem Krankenhaus geflohen war, hatte sie geglaubt, eine Frau mit Stachelfrisur und Pistole wäre hinter ihm her. Jetzt liefen sie vor den italienischen Behörden und einer Teilstreitkraft des Militärs davon. Ihre Chancen zu entkommen lagen nahezu bei Null.
»Gibt es keinen anderen Weg nach draußen?«, fragte Sienna atemlos.
»Ich glaube nicht«, antwortete Langdon. »Dieser Garten ist von einer Mauer umgeben wie …« Er stockte, dann drehte er sich suchend um. »Wie der Vatikan.« In seinen Augen flackerte Hoffnung auf.
Sienna hatte keine Ahnung, was der Vatikan mit ihrer gegenwärtigen Lage zu tun hatte, doch Langdon nickte plötzlich und starrte an der Rückseite des Palazzo entlang nach Osten.
»Es ist nur eine Vermutung«, sagte er und zog sie mit sich. »Aber vielleicht gibt es noch einen anderen Weg nach draußen.«
Unvermittelt tauchten vor ihnen zwei Gestalten auf und überrannten sie beinahe. Sie waren um die Ecke der Mauer gebogen und ganz in Schwarz gekleidet. Für eine Schrecksekunde dachte Sienna, es wären die Soldaten, denen sie schon im Treppenhaus ihrer Wohnung begegnet waren. Doch es waren nur Touristen – Italiener, den schicken schwarzen Ledersachen nach zu urteilen.
Sienna hatte eine Idee. Sie nahm einen der Touristen beim Arm und lächelte ihn an. »Può dirci dov’è la Galleria del costume?«, erkundigte sie sich in flüssigem Italienisch nach dem Weg zur berühmten Galerie der Kostüme. »Io e mio fratello siamo in ritardo per una visita privata.« Mein Bruder und ich erhalten eine private Führung und kommen zu spät.
»Certo!« Der Mann lächelte hilfsbereit. »Proseguite dritto per il sentiero!« Er drehte sich um und zeigte nach Westen, in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
»Molte grazie!«, säuselte Sienna mit bezauberndem Lächeln, als die beiden Männer weitergingen.
Langdon nickte beeindruckt, als er Siennas Plan durchschaute. Falls die Polizei anfing, die Touristen im Palast zu befragen, würde sie erfahren, dass Langdon und Sienna zur Kostümgalerie unterwegs waren – zum entgegengesetzten Ende des Palastes.
»Wir müssen da entlang«, sagte Langdon und zeigte auf einen Fußweg, der einen Hang hinunterführte, weg vom Palast. Der Weg war zur oberen Hangseite hin durch eine hohe Hecke abgeschirmt, die mehr als genug Schutz vor den Blicken der Polizisten in der Nähe bot.
Sienna schätzte ihre Chancen sehr gering ein, unentdeckt bis zum Fußweg zu gelangen, auch wenn sich inzwischen immer mehr Touristen auf dem Platz
Weitere Kostenlose Bücher