Inferno
nach ihrem Tod.«
Die Totenmaske . Zum ersten Mal, seit er in Florenz aufgewacht war, überkam Langdon ein Gefühl der Klarheit. Dantes Inferno … cerca trova … nur durch die Augen des Todes. Die Maske!
»Und von wessen Gesicht wurde der Abdruck für die Maske genommen?«, fragte Sienna.
Langdon legte ihr die Hand auf die Schulter und antwortete so gelassen, wie es ihm in diesem Moment nur möglich war.
»Ein weltberühmter italienischer Dichter. Sein Name war Dante Alighieri.«
KAPITEL 38
Die Mittelmeersonne schien hell auf die Decks der Mendacium , als sie sanft in der Dünung der Adria schaukelte. Müde leerte der Provost seinen zweiten Scotch und starrte ausdruckslos aus dem Fenster seines Büros.
Die Neuigkeiten aus Florenz waren nicht gut.
Vielleicht lag es am ersten Schluck Alkohol seit vielen Jahren, doch er fühlte sich eigenartig desorientiert und machtlos … als hätte sein Schiff einen Maschinenschaden erlitten und trieb nun führerlos in den Gezeiten.
Das Gefühl war dem Provost fremd. In seiner Welt existierte immer ein verlässlicher Kompass – das Protokoll – und es hatte bisher stets zuverlässig den Weg gewiesen, ohne Ausnahme. Das Protokoll versetzte ihn in die Lage, schwierige Entscheidungen zu treffen, ohne jemals zurückzublicken.
Das Protokoll hatte auch Vayenthas Ablösung erforderlich gemacht, und der Provost hatte gehandelt, ohne zu zögern. Mit ihr befasse ich mich, sobald die gegenwärtige Krise vorbei ist.
Das Protokoll bestimmte auch, dass der Provost so wenig wie möglich über seine Klienten wissen durfte. Für ihn stand seit Langem fest, dass das Konsortium keine ethische Rechtfertigung besaß, über die Klienten zu richten.
Liefere die gewünschte Leistung.
Vertraue dem Klienten.
Stell keine Fragen.
Ähnlich dem Direktor eines gewöhnlichen Unternehmens bot der Provost eine Dienstleistung an, stets unter der stillschweigenden Annahme, dass sie nicht zu illegalen Zwecken missbraucht wurde. Volvo war schließlich nicht dafür verantwortlich, dass Mütter durch Tempo-30-Zonen rasten, wenn sie ihre Kinder zum Fußballtraining brachten, genauso wenig wie DELL etwas dafür konnte, wenn mit einem seiner Computer ein Bankkonto gehackt wurde.
Jetzt, wo alles auseinanderzubrechen drohte, verfluchte der Provost insgeheim die vertrauenswürdige Kontaktperson, die dem Konsortium diesen Klienten vermittelt hatte.
»Wenig Arbeit und leichtes Geld«, hatte der Kontakt dem Provost versichert. »Der Mann ist brillant, ein Star auf seinem Gebiet und geradezu absurd reich. Er muss für ein Jahr oder zwei untertauchen, das ist alles. Er braucht Zeit, um ungestört an einem wichtigen Projekt arbeiten zu können.«
Der Provost hatte rasch zugesagt. Langfristige Standortwechsel waren fast immer leicht verdientes Geld, und der Provost vertraute dem Instinkt seines Kontakts.
Wie erwartet hatte sich der Job tatsächlich als sehr unkompliziert erwiesen.
Bis zur vergangenen Woche.
Nun, angesichts des Durcheinanders, das der Klient angerichtet hatte, lief der Provost unruhig durch sein Büro und blickte dabei immer wieder zu der Whisky-Flasche auf dem Tisch. Er zählte die Tage, bis seine Verpflichtungen gegenüber diesem Klienten endeten.
Das Telefon auf seinem Schreibtisch läutete, und der Provost sah, dass es Knowlton war, einer seiner besten Koordinatoren.
»Ja?«, meldete sich der Provost.
»Sir«, begann Knowlton mit ungewohnt nervöser Stimme. »Ich störe nur ungern, Sir, aber wie Sie vielleicht wissen, wurden wir damit betraut, morgen eine Videodatei an die Medien zu senden.«
»Ja«, sagte der Provost. »Ist alles vorbereitet?«
»Jawohl, Sir. Trotzdem dachte ich, Sie sollten sich das Video vielleicht zuerst ansehen, bevor wir es hochladen.«
Der Provost horchte auf. »Aus welchem Grund?«, fragte er. »Werden wir namentlich erwähnt oder in sonst irgendeiner Weise kompromittiert?«
»Nein, Sir. Allerdings ist der Inhalt bestürzend. Der Klient erscheint im Bild und sagt …«
»Schweigen Sie, auf der Stelle!«, befahl der Provost. Er war außer sich darüber, dass ein erfahrener Koordinator es wagen konnte, so unverblümt einen Bruch des Protokolls vorzuschlagen. »Der Inhalt ist belanglos. Was immer der Klient in dem Video sagt, es wäre mit oder ohne uns veröffentlicht worden. Der Klient hätte es genauso einfach auf elektronischem Weg machen können, aber er hat uns beauftragt . Er hat uns bezahlt . Er hat uns vertraut .«
»Jawohl, Sir.«
»Sie wurden
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