Inferno
und ihren Flugschein gereicht.
»Oh, Dr. Sinskey«, begrüßte sie der Steward hinter dem Schalter mit einem Lächeln. »Ein sehr freundlicher Gentleman war eben hier und hat Ihnen eine Nachricht hinterlassen.«
»Verzeihung?« Elizabeth kannte niemanden, der Zugriff auf ihre Reisedaten gehabt hätte.
»Er war sehr groß«, sagte der Steward. »Mit leuchtend grünen Augen.«
Elizabeth ließ ihre Tasche fallen. Er ist hier? Aber wie …? Sie fuhr herum und blickte suchend in die Gesichter der Leute hinter ihr.
»Er ist schon wieder weg«, sagte der Steward. »Er hat mich gebeten, Ihnen das hier zu geben.« Er reichte Elizabeth ein gefaltetes Blatt Papier.
Zitternd nahm Elizabeth das Blatt entgegen und las die handgeschriebene Botschaft.
Es war ein berühmtes Zitat aus dem Werk Dante Alighieris.
Die heißesten Orte der Hölle
sind reserviert für jene,
die in Zeiten moralischer Krisen
nicht Partei ergreifen.
KAPITEL 39
Marta Alvarez sah müde die Treppe hinauf, die vom Saal der Fünfhundert zum Museum im ersten Stock führte.
Posso farcela , sagte sie sich. Ich schaffe das schon.
Als Kuratorin für Kunst und Kultur im Palazzo Vecchio war Marta die Stufen schon oft hochgestiegen, doch nun, da sie im neunten Monat schwanger war, fiel ihr die Anstrengung zunehmend schwer.
»Marta, meinen Sie nicht, wir sollten lieber den Aufzug nehmen?« Der Professor sah sie besorgt an und deutete auf den kleinen Service-Aufzug, der für behinderte Besucher des Palazzo Vecchio eingebaut worden war.
Marta lächelte dankbar, schüttelte jedoch den Kopf. »Wie ich gestern Abend schon sagte, die Ärzte meinen, Bewegung ist gut für das Baby. Außerdem weiß ich ja, dass Sie unter Klaustrophobie leiden, Professor.«
Langdon starrte sie an. »Oh. Richtig. Ich vergaß, dass ich das gestern erwähnt habe.«
Das hat er vergessen? , dachte Marta verblüfft. Es ist weniger als zwölf Stunden her, und wir haben lange über den Unfall in seiner Kindheit gesprochen, der zu seiner Klaustrophobie geführt hat.
Der Professor hatte Marta am vergangenen Abend zu Fuß die Treppe hinauf begleitet, während der unfassbar fettleibige il Duomino mit dem Aufzug gefahren war. Auf dem Weg die Treppe hinauf hatte der Professor ihr lebhaft geschildert, wie er als Knabe in einen vergessenen Brunnenschacht gestürzt war und seither unter einer lähmenden Angst vor beengten Räumen litt.
Die jüngere Schwester des Professors lief munter voran, Marta und Langdon hingegen stiegen gemächlich die Stufen hinauf und legten mehrere Pausen ein, damit die werdende Mutter wieder zu Atem kam.
»Ich bin überrascht, dass Sie die Maske noch einmal sehen wollen. Angesichts all der anderen Stücke in Florenz scheint sie mir doch eher uninteressant zu sein.«
Der Professor zuckte unverbindlich die Schultern, und wieder wunderte sich Marta darüber, wie zerstreut er an diesem Morgen wirkte. »Ich bin hauptsächlich hergekommen, um sie Sienna zu zeigen. Danke sehr übrigens, dass Sie uns hereingelassen haben.«
»Oh, das ist doch selbstverständlich.«
Marta hätte den berühmten Professor am vergangenen Abend schon allein wegen seines Rufes in die Galerie gelassen. Doch da er in Begleitung von il Duomino erschienen war, hatte er ohnehin automatisch Zutritt.
Ignazio Busoni, der Mann, den alle nur il Duomino nannten, war in der Kulturszene von Florenz eine Instanz für sich. Der langjährige Direktor des Museo dell’Opera del Duomo war verantwortlich für sämtliche Belange, die das bedeutsamste historische Bauwerk der Stadt betrafen: Il Duomo, die gewaltige Kathedrale, deren rote Kuppel nicht nur die Silhouette von Florenz dominierte, sondern auch die Geschichte. Die unfassbare Leibesfülle dieses gutmütigen Mannes, sein stets rotes Gesicht und seine Liebe zu dem Wahrzeichen der Stadt hatten ihm den Spitznamen il Duomino eingebracht – »der kleine Dom«.
Marta wusste nicht, wie der amerikanische Professor die Bekanntschaft von il Duomino gemacht hatte, doch Busoni hatte sie am Vorabend angerufen und informiert, dass er mit einem Gast vorbeikommen und ihm Dantes Totenmaske zeigen wolle – inoffiziell. Marta war begeistert gewesen, als sie erfahren hatte, dass es sich bei dem mysteriösen Gast um den berühmten amerikanischen Symbolologen und Kunsthistoriker Robert Langdon handelte. Sie hatte sich gefreut über die Gelegenheit, zwei so bedeutenden Persönlichkeiten die Tür zur Galerie des Palazzo aufzuschließen.
Als sie jetzt den oberen
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