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Inmitten der Unendlichkeit

Inmitten der Unendlichkeit

Titel: Inmitten der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gerrold
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Schiffsmesse
     
     
    Meistens nahm Brik seine Mahlzeiten alleine ein. Gelegentlich gesellte er sich zu den anderen Offizieren in der Messe. Hin und wieder trank er eine Tasse Tee oder Kakao, aber er aß so gut wie nie in Gegenwart seiner menschlichen Kameraden – und wenn es sich nicht umgehen ließ, dann nur sehr widerstrebend. Es war ihm nur allzu bewußt, daß der Anblick eines essenden Morthaners für die meisten Menschen einen schrecklichen Anblick bot. Er war zwar nicht bereit, sich wegen etwas so Irrationalem wie seinen Eßgewohnheiten gegenüber anderen zurückzuhalten, aber in diesem Fall erschien es ihm mehr als angemessen. Immerhin arbeitete er mit diesen Leuten zusammen.
    Und außerdem gab es da noch dieses kleine… nun, Vorurteil. Mehr als einmal waren der Leitende Ingenieur und seine Leute unvermittelt aus der Messe verschwunden, nachdem er den Raum betreten hatte. Brik hatte eine Anzahl von Möglichkeiten überdacht – einschließlich der, ein paar Knochen zu brechen –, aber schließlich hatte er eingesehen, daß ein Disziplinarproblem zwischen einem seiner nachgeordneten Offiziere und der Besatzung das letzte war, was der kommandierende Offizier Korie im Augenblick gebrauchen konnte.
    Dadurch, daß er einfach den Speisesälen fernblieb, minimierte Brik die Chancen, daß andere in ernsthafte Schwierigkeiten gerieten.
    Brik wußte, daß die Vorurteile eigentlich Leens Problem waren und nicht seines. Er fühlte keine Scham, fühlte sich nicht verletzt, war nicht verlegen – das waren kleinliche Gefühle. Vielmehr staunte er über die Art und Weise, wie Menschen sich irrationalen Glaubenssystemen unterwarfen. Die meisten von ihnen waren sowieso nicht viel mehr als kleine wilde Tiere, die von anderen wilden Tieren aufgezogen worden waren. Nur die wenigsten von ihnen besaßen eine Ahnung, wieviel grundlegendes Training notwendig war, um ein primitives Bewußtsein auf eine Ebene zu heben, wo wahres Bewußtsein existierte. Und unter denjenigen, die ein Gefühl für die wahre Natur von Erleuchtung und Transformation besaßen, gab es noch weniger, die sich geschickt genug anstellten, um als wirkliche Meister des eigenen Geistes zu gelten.
    Trotzdem. Es gab Zeiten, da regte sich in Brik das Bedürfnis nach… nicht nach Gesellschaft. Morthaner fühlten sich niemals einsam. Jedenfalls nicht auf die Art und Weise, wie Menschen sich einsam fühlten. Aber hin und wieder verspürte er das Bedürfnis… zuzuhören. Und dann zog es ihn in eine dunkle Ecke der Mannschaftsmesse, wo er sich an einen Tisch setzte und eine Tasse japanischen Tees trank. Er lauschte nicht den Unterhaltungen der Besatzung, sondern ihren Emotionen und Stimmungen.
    So fühlte er sich dem gemeinsamen Geist des Raumschiffs näher.
    Es gab einfach zu viel an diesen erbärmlichen Kreaturen, was ihm rätselhaft blieb – und er war sich absolut sicher, daß es da etwas gab, das man verstehen mußte.
    Die Morthan-Solidarität hatte keine Ahnung davon, und das würde letztendlich zu ihrem Untergang führen.
    Die Mannschaft der Sternenwolf hatte es irgendwie geschafft, einen Morthan-Assassinen zu überleben. Die Sternenwolf und die Burke hatten zusammen die Drachenfürst zerstört. Und was ein einzelnes Schiff schaffen konnte, das konnten andere jederzeit wiederholen. Die Solidarität war verwundbar. Brik konnte sich nicht erklären, warum ihn dieses Gefühl beschlich, aber irgendwie spürte er, daß die Blindheit der Solidarität gegenüber menschlicher Anpassungsfähigkeit letztendlich der Grund für ihren unvermeidlichen Untergang sein würde. Er hatte den Gedanken vor einiger Zeit gegenüber Korie geäußert, doch der Erste Offizier hatte ihm nur einen seltsamen Blick zugeworfen und gefragt, ob er sich nicht die letzten Kriegsberichte angesehen hätte.
    Brik mochte sich irren, und ihn beschlich mit der Zeit das Gefühl, daß sein ständiger Kontakt mit Menschen vielleicht sein Bewußtsein zu trüben begann. Falls das zutraf, konnte er wenig dagegen tun. Aber wenn nicht, und wenn er recht behielt – wenn die Solidarität in ihrer Ignoranz verletzlich war –, dann war er es auch. Der Gedanke schien ihm unerträglich. Und so kehrte er immer wieder in die Messe zurück, um zuzuhören, ganz egal, wie unbehaglich er sich dabei fühlen mochte. Ganz egal, wie unbehaglich sich irgend jemand anderes durch seine Gegenwart fühlen mochte. Er mußte lernen.
    Heute abend war allerdings außer ihm niemand anwesend. Das war nicht weiter

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