Inmitten der Unendlichkeit
schlimm. Sie würden bald kommen. Wie groß ihre Abneigung gegen Morthaner auch sein mochte – essen mußten sie trotzdem. Sie würden sich so weit von ihm entfernt hinsetzen wie möglich, aber sie würden sich hinsetzen – und er würde ihnen zuhören. Quer durch den Raum.
Während er auf sie wartete, begann er zu grübeln.
Er schloß die Augen und stellte sich vor, wie er durch dunkle, grüne Korridore rannte, Treppen hinauf, Schrägen hinauf, immer weiter voran, immer tiefer hinein. Es war nicht wie Träumen; es war etwas anderes, etwas Beunruhigendes, weil er keine Ahnung hatte, wohin diese Korridore führten, aber…
Plötzlich wurde sein tranceähnlicher Zustand durch Leutnant Helen Bach unsanft gestört. Sie kam mit ihrem Tablett zu seinem Tisch und setzte sich ihm gegenüber, ohne um Erlaubnis zu fragen. Einen langen Augenblick sahen sich die beiden freundlich an; der gewaltige Morthan-Tyger blickte auf sie herab, und die viel kleinere Menschenfrau sah zu ihm hinauf. Ihre Augen schimmerten hell gegen ihre dunkle Haut.
»Sagen Sie es schon«, begann Brik schließlich.
Bach nippte an ihrem Kaffee, und ihre Augen trafen sich erneut. »Es tut mir leid, wenn ich Sie unter der Dusche in Verlegenheit gebracht habe«, sagte sie.
Brik blinzelte langsam. »Sie haben mich nicht in Verlegenheit gebracht. Sie selbst waren es, die verlegen war.«
»Wie auch immer. Ich bitte um Entschuldigung.«
»Ich will ganz offen sein, Leutnant. Ich habe den Sinn von Entschuldigungen nie richtig verstanden. Macht eine Entschuldigung ein Ereignis ungeschehen? Nein. Rechtfertigt eine Entschuldigung dann vielleicht, daß ein Ereignis stattgefunden hat? Nein. Also, was soll dann Ihre Entschuldigung?«
»Wenn ich mich nicht entschuldige, dann habe ich das Gefühl, Sie irgendwie kompromittiert zu haben. Und wenn Sie meine Entschuldigung nicht akzeptieren, dann hat unsere Beziehung irgendwie… Schaden genommen.«
»Beziehung?« Der große Morthaner schüttelte den Kopf. »Wir haben keine Beziehung. Ich bin Sicherheitschef und Strategieoffizier. Sie sind meine Assistentin. Weder Sie noch ich haben uns das ausgesucht. Der Assassine hat acht Mitglieder des Sicherheitsteams getötet, und Sie sind zu meiner Assistentin nachgerückt. Ich erteile Ihnen Befehle. Sie führen meine Befehle aus. Das ist keine Beziehung. Das ist militärische Disziplin.«
»Sie wollen es mir nicht leichter machen, was?«
»Leichter? Ich verstehe nicht.«
»Ich habe sie nackt unter der Dusche gesehen. Sie sind nicht wie… andere Männer.«
»Ach das.«
»Ach das?« Bach blickte jetzt wirklich überrascht drein.
»Es ist nur eine kleine Sache«, sagte Brik. Er meinte den Zwischenfall, sonst nichts. Die Zweideutigkeit entging ihm vollkommen.
»Kleine Sache?« echote Bach voller Staunen. »Von wegen! Es ist überhaupt nichts da!« Zu spät bemerkte sie, was sie gesagt hatte, und schlug die Hände vor den Mund. »Oh, es tut mir leid. Vergessen Sie’s.« Sie schob ihr Tablett von sich. »Jedesmal, wenn ich versuche mit Ihnen zu reden, endet das Gespräch in einer Kernschmelze.«
Als er sie fragend anblickte, erklärte sie: »Ein Desaster. Ein Unglück. Es ist, als würden wir nicht die gleiche Sprache sprechen. Nicht, daß Sie nicht verstehen, was ich meine. Es ist, als wollten Sie nicht verstehen, was ich Ihnen sagen will.« Sie erhob sich.
»Warten Sie…«, sagte Brik.
Sie zögerte, forschte in seinem Gesicht. Dann setzte sie sich wieder. »Also gut. Was ist?«
»Ich meine es nicht böse. Nein, das ist falsch ausgedrückt. Ich wollte sagen, daß ich Sie nicht mit Absicht beleidige.« Sein Blick richtete sich einen Augenblick nach innen, als er nach angemessenen Phrasen oder Gesten suchte. Aber da war nichts. Er fand nicht einmal einen Rahmen für diese Unterhaltung. Ganz plötzlich wurde ihm schmerzhaft bewußt, daß er jetzt und hier mitten in das große, schmerzende Dunkel seiner eigenen Unwissenheit über menschliche Beziehungen geraten war. Genau das hier war es, was ihm das größte… Unbehagen bereitete. Er wandte den Blick wieder zu Bach. Ihre Ungeduld wegen seines Schweigens wuchs sichtlich. »Ich muß Sie um ein wenig Nachsicht bitten.«
»Warum?« wollte sie wissen. Sie stieß die Worte beinahe wie eine Forderung heraus.
»Es fällt mir nicht leicht, offen zu sein. Sie mußten uns Morthaner gut genug kennen, um das zu wissen. Man erfährt über einen Morthaner nur das, was er preisgeben möchte. Ich habe überlegt, was Sie wissen. Und
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